Michail Borisovich Chodorkowskij, ein neuer „Messias“ in Rußland? Oder Nachhilfeunterricht durch Macht−Medien−Manipulation?
Wer weiß, warum ein Armer arm ist? Ich weiß es nicht. Also, stelle ich die Frage: Warum ist ein Armer arm? Und ich beginne nach Antworten zu suchen. Ich finde keine befriedigende Antwort. Falsch. Ich finde überhaupt keine Antwort. Weil die Frage wird nicht gestellt. Also gibt es keine Antwort. Nicht einmal im „Buch der Bücher“ wird versucht zu erklären, warum die Armen arm sind.
Ist etwa die Frage falsch gestellt? Oder soll sie ewig eine Nicht-Frage bleiben?-Etwa weil es „Arme“ schon immer gegeben haben soll, wie Luft-oder Wasser? Wenn es so wäre, was soll dann die Frage, warum ein Armer arm ist? Was soll dann auch daran falsch sein, wenn einer oder so viele Menschen unter uns eben arm sind? Wenn die Zahl der Armen nicht stetig steigen würde, gäbe es auch kein Problem mit der Armut. Oder? Und warum müssen sich die Armen vermehren wie Kaninchen?
Michail Borisovich Chodorkowskij und nicht das beschämende „Hickhack“ um das Armuts− und Reichtumsbericht der Deutschen Regierung ist daran schuld, daß ich alle diese Nicht−Fragen stelle. Sie wissen nicht, wer Michail Borisovich Chodorkowskij ist? Kennen Sie ihn noch nicht? Haben Sie noch nicht die Gelegenheit gehabt, ihn wegen seines unmenschlichen Schicksals in Rußland zu bedauern? Nein? Dann erfahren wir gemeinsam, wer Michail Borisovich Chodorkowskij ist und was alles mit ihm geschieht.
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Bevor Michail Borisovich Chodorkowskij eine große Nummer in der „Weltöffentlichkeit“ wird, ist er bereits ein Milliardär im „gottverlassenen“ Rußland. Ein Öl-Milliardär. Als Ölkonzernchef von Yokos in Rußland soll er für die Freiheit des russischen Volkes gegen die Unterdrückung durch den gegenwärtigen „Zaren“ eingetreten sein. Deshalb will der übermächtige „Zar“ Vladimir Putin ihn, Michail Borisovich Chodorkowskij, den neuen „Messias“ Rußlands, mit allen erdenklichen Mitteln vernichten.
Nein, Michail Borisovich Chodorkowskij ist kein Armer gewesen, als er in der „Weltöffentlichkeit“ eine große Nummer wird. Ein Armer wird nie in der „Weltöffentlichkeit“ eine große Nummer. In keiner Öffentlichkeit. Wie soll dann Michail Borisovich Chodorkowskij schuld daran sein, daß ich alle diese Nicht−Fragen stelle?
Ein Gesellschaftswissenschaftler, ein Sozial−Aktivist, begegnet den Armen mit offenen Augen und denkt über deren gesellschaftliche Lage nach. Aber nicht gründlich genug, so wie es bei mir selbst gewesen ist. Der Alltag, der berufliche Alltag, der Alltag im Karriere−Trip, steht einem gründlichen Nachdenken im Weg. Seit Jahrzehnten bin ich nah an dieser Frage gewesen. Heute entsetze ich mich darüber, daß es eines Michail Borisovich Chodorkowskijs bedurft hat, daß ich beginne, über die Armen, über die Armut und über den Zusammenhang zwischen Armut und Reichtum gründlicher nachzudenken. Er hat mich mittelbar zum gründlichen Nachdenken bewegt. Eigentlich nicht er selbst, sondern die „Weltmeinung“ über den „Schicksal“ Michail Borisovich Chodorkowskijs ist eher der unmittelbare Anlaß.
Wenn ich „Weltöffentlichkeit“ schreibe, meine ich jene bereits fast hundert Prozent manipulierte veröffentlichte Öffentlichkeit. Die eine veröffentlichte Öffentlichkeit herstellt durch
die Verfügungsgewalt über Medien,
„Denkfabriken“,
Schmierenkünstler, gern auch Lobbyisten genannt,
„internationale Einrichtungen“ wie die Weltbank, den Internationalen Währungsfond, bis hin zum Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
Die gewählten Vertreter in „repräsentativen Demokratien“ sind dabei nur Marionetten. Die diversen „Bündnisse“ reicher Länder, die Regierungen der G 7 oder G 8 oder G 20 sind ausführende Organe, sollen lediglich der von der Macht−Medien−Manipulation hergestellten Weltmeinung Geltung verschaffen.
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Aber zurück zum Beispiel Michail Borisovich Chodorkowskij. Die „Weltmeinung“ feiert ihn als Top-Menschenrechtler, als den potentiellen „Modernisierer“, als einen lupenreinen Demokraten Rußlands, als den gefürchteten Gegner von Vladimir Putin. Bekanntlich ist Michail Borisovich Chodorkowskij nach der russischen Verfassung und den Gesetzen von der russischen Justiz wegen Steuerhinterziehung und Betrug verurteilt worden. Er muß seine Strafe im Gefängnis abbüßen. Die geltende Rechtspflege ist älter als die Amtszeiten von Vladimir Putin.
Wer ist Michail Borisovich Chodorkowskij, wer ist dieser russische Milliardär? Wie ist sein Werdegang im „gottverlassenen“ Rußland bislang gewesen? Nein, arm ist er nie gewesen. Die Mär „vom Tellerwäscher zum Millionär“ trifft für ihn nicht zu. Er hat es auch nicht zur Million gebracht. Nein. Er hat es zu Milliarden Dollar gebracht. In Rußland. Schon vor Beginn dieses Jahrhunderts. Wann ist er geboren? Wie kann das möglich gewesen sein? Ja, wie wird man so reich in einem Land, in dem es bis vor kurzem kein Privateigentum an Industrieunternehmen als Quelle von Privatvermögen gegeben hat? Wie in der ehemaligen DDR auch.
Wie gesagt, dieser Michail Borisovich Chodorkowskij bringt mich wieder zu den Fragen, die ich schon immer gestellt, aber nie zielstrebig Antworten darauf gesucht habe. Warum werden die Reichen verehrt, hoch geachtet und warum die Armen bedauert und verachtet? Wie wird man reich, wie wird man arm, in welchem Verhältnis steht der Reichtum der Reichen zur Armut der Armen.
Zu Beginn der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts anläßlich einer Dokumentation über die allererste politische Initiative gegen die Obdachlosigkeit in dieser Republik, „Die Interessengemeinschaft Obdachlosigkeit in Köln“, suche ich im „Buch der Bücher“ nach einer Antwortauf die Frage: Wie wird man reich, wie wird man arm, in welchem Verhältnis steht der Reichtum der Reichen zur Armut der Armen. Ich habe weder im alten noch im neuen Testament Abschnitte gefunden, die Einsicht darüber vermitteln, warum die Armen arm sind, wie die Armen arm werden, wie die Armen aus der Armut herauskommen sollen und können. Ich habe auch keine Abschnitte gefunden, die Einsicht darüber vermitteln, warum die Reichen reich sind, wie die Reichen reich werden, wie die Reichen ihr Reichtum verlieren. Die eben erwähnte Dokumentation ist in den meisten Bibliotheken dieser Republik als Buch erhältlich: Soziale Arbeit. Beispiel Obdachlose. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1972, 200 S., Zusammen mit Otker Bujard.
Und was ist schließlich arm? Was ist Armut. Was ist das Gegenteil von Armut? Zugegeben, daß eine klare und genaue Beschreibung von Armut in Zusammenhängen schwierig ist. Anscheinend soll es in allen uns erinnerlichen Zeiten Arme gegeben haben, offensichtlich im Vergleich zu Nicht-Arme. Ein Nicht-Armer verfügt über alles materielle mehr als der Arme. Das „Buch der Bücher“ wäre wahrscheinlich nie verfasst, wenn es seinerzeit unter den Menschen keinen Unterschied über alles materielle gegeben haben würde: Arm – nicht-arm, arm – reich, ohnmächtig – mächtig.
Im „Buch der Bücher“ stehen Barmherzigkeit und Nächstenliebe im Mittelpunkt der Erörterungen. Beides kann nicht praktiziert werden, wenn es keine Bedürftigen gäbe. Oder? Mache ich einen Denkfehler? Wenn ich keinen Denkfehler gemacht habe, folgere ich, daß sich das „Buch der Bücher“ an sich nur an die Wohlhabenden, an die Reichen, an die Mächtigen richtet bzw. wendet. Die Reichen, die Mächtigen sollen der christlichen Lehre folgend stets Barmherzigkeit und Nächstenliebe praktizieren, um in die Nähe „Gottes“ zu gelangen. Wie viel Barmherzigkeit barmherzig ist und wie viel Nächstenliebe Liebe zum Nächsten ist, wird nicht erörtert. Barmherzigkeit und Nächstenliebe eben. Alles ist dem Ermessen derer überlassen, die in der Lage sind, barmherzig zu sein und die Nächstenliebe zu üben. Dies war zu Zeiten der Entstehung des „Buch der Bücher“ so, dies ist heute nicht anders.
Alles, was uns in diesem Leben gegeben ist, ist nur zum Gebrauch und als Leihgabe übergeben. Dieser Satz ist nicht von mir. Eine christliche Mystikerin, eine Ordensfrau namens Katharina von Siena hat diesen Satz den Christen vor über 640 Jahren als eine Mahnung in das Stammbuch geschrieben. Dem „Buch der Bücher“ zum Trotz. Sie hat nur 33 Jahre gelebt. Ich möchte den Satz nicht kommentieren.
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Heute wie gestern wird nicht gefragt, wie der Reiche in Besitz von Reichtum gekommen ist. Wer soll fragen? Stehen wir nicht alle miteinander unmittelbar oder mittelbar Schlange vor Reichen, von ihnen beachtet, bedacht zu werden und in den-Dienst, in Sold genommen zu werden? Reiche können geben, Reiche können verteilen. Arme nicht. Also bewundern wir die Großzügigkeit der Reichen, als Spender, als Sponsoren, als Unterstützer für Projekte. Hand aufs Herz. Sind wir nicht meistens bereit, uns bei den Reichen anzubiedern, unsere möglichen Dienste anzubieten und uns von ihnen „aushalten“ zu lassen? Zur Prostitution aller Art? Wir die Intellektuellen?
Wie heißt der Spruch so schön? Geld stinkt nicht. Wer Geld und Reichtum besitzt, hat es bestimmt auch verdient. Sonst würde er nicht zu Reichtum gekommen sein. Denken wir nicht so? Warum sollen wir von allen jenen, die in Besitz von Geld und Reichtum gekommen sind, es nicht wissen wollen, wie sie es bewerkstelligt haben, reich zu werden? Warum sollen nur einige „vom Tellerwäscher zum Millionär“ werden, wie ein Henry Ford, oder ein Bill Gates, oder ein Alfred Krupp? Warum soll ich nicht ständig auf der Suche sein, eine solche Nische zu finden? Ist die „freiheitliche, demokratische Grundordnung“ nicht voller solcher Nischen? Warum soll ich mich nicht dafür fitmachen, bereithalten, wenn das Los einer Nische mich wirklich trifft? Was hilft, ist doch das Hegen vom Traum und das Beten um die Erfüllung des innigsten Wunsches. Und sich nicht fortwährend beschäftigt halten mit Fragen, wie der eine oder der andere Reiche in Besitz von Geld und Reichtum gekommen ist. Oder? Sollten wir stattdessen wirklich des Neides frönen? Macht Neid uns nicht häßlich und verbiestert?
Weil das gesellschaftliche Klima nach der Erfindung des Begriffs: Neiddebatte so geworden zu sein scheint, fragt keiner mehr, wie der Reiche in Besitz von Geld und Reichtum gekommen ist. Statt genau dies zu fragen, sorgen wir dafür, ja wir halten sogar Wache, daß kein anderer solche Fragen stellt. Wir sind wie kleine unbezahlte, unterbezahlte Soldaten, die den Reichtum der Reichen überall in der Welt verteidigen.
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Ohne Umschweife gestehe ich, daß ich nicht mehr umhin kann, nachdrücklich die Frage nach der Herkunft des Reichtums zu stellen. Bei allen, die reich sind. Und ich bin nicht neidisch. Ich verlange Rechenschaft und Offenlegung. Anläße dazu gibt es in Hülle und Fülle. Damit die Emotionen nicht gleich den Kopf außer Betrieb setzen, frage ich nicht, wie der Reichtum in dem Kirchenstaat zusammengekommen ist. Ich nehme ein ferneres Beispiel, damit die Emotionen unter Kontrolle bleiben. Ja, ich bleibe bei Michail Borisovich Chodorkowskij. Ich erinnere mich an ein Interview mit dem inhaftierten „Yukos-Gründer“, abgedruckt in der auch von mir abonnierten Tageszeitung, in der Süddeutschen Zeitung, ein vier spaltiger Aufmacher auf der ersten Seite:
SZ-Interview mit dem inhaftierten Yukos-Gründer
Chodorkowskij: Putin will mich ewig einsperren
Früherer Oligarch kritisiert auch Russlands Präsidenten Medwedjew, der manipulierte Urteile dulde
Wie gesagt: Dies ist der Aufmacher auf der ersten Seite der Süddeutschen Zeitung als Ankündigung des ¾ seitiges Interviews, mit der fünf spaltigen Überschrift:
„Wladimir Putin weiß, wie schwach seine Herrschaft ist“
Michail Borisovich Chodorkowskij über seine Feindschaft zum russischen Premier, politische Justiz und seine Hoffnungen für sein Heimatland
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Mir war schlecht geworden. Nein, ich habe die SZ nicht abbestellt. Zu Beginn war es mir danach. Fast wie ein Masochist habe ich mich einige Male mit diesem Zeitungsbericht befasst und mit den Wertigkeiten, die diese bieder angesehene überregionale Tageszeitung manipulativ, unterschwellig vermittelt. Ja, die Russen, und der Putin, und der Medwedjew. Unmenschen sind sie! Ihre Vorfahren haben den Zaren und seine Verwandten vertrieben. Und nun stecken sie einen ehrbaren Oligarchen, den Milliardär Michail Borisovich Chodorkowskij aus Angst ins Gefängnis.
Was soll uns glauben gemacht werden? Daß es höchste Zeit ist für die „Internationale Gemeinschaft“, in Rußland vorstellig zu werden, damit der bedauernswerte und ehrbare Oligarch und Öl−Milliardär aus dem Gefängnis kommt? Damit die russische Gerichtsbarkeit außer Kraft gesetzt wird? Der unverfrorene Manipulationswille jener Biederfrauen- und männer der politischen Redaktion dieser „renommierten“ überregionalen Tageszeitung Deutschlands, der Süddeutschen Zeitung, ist dreist und schamlos.
Leider wissen wir alle, daß dieser Bericht nicht eine einmalige Entgleisung der Süddeutschen Zeitung gewesen ist. Es scheint auch ein gefundenes Fressen für die Landschaft der Macht−Medien−Manipulation zu sein. Auch der Filmfestival in Berlin hat das Ereignis gefeiert. Ohne neue Aspekte oder Argumente. Ich habe einige Zeit gebraucht, mich über das Ganze zu empören und das Ergebnis meiner Empörung öffentlich zu machen.
Das Positive kommt gleich ausführlich. Zunächst nur so viel als Merkposten: Als Michail Borisovich Chodorkowskij vor einem Moskauer Gericht wegen Diebstahls und Geldwäsche der Prozess gemacht wird, ist er bereits ein Öl-Milliardär in Rußland. Öl-Milliardär? Ja, ein Öl-Milliardär in Rußland! Durch den Verkauf von Öl−Vorkommen, das dem russischen Volk gehört. Wie? Wie wird jemand plötzlich ein Öl−Milliardär, überhaupt ein Milliardär in Rußland?
In der Landschaft von Macht−Medien−Manipulation, im freien Westen, wo die „Internationale Gemeinschaft“ beheimatet ist, haben Fragen wie diese keinen Platz. Wieso nicht? Die Biographie Michail Borisovich Chodorkowskijs ist öffentlich zugänglich. Diese Biographie erzählt uns, wie er zu seinen Milliarden gekommen ist. Ausgeraubt hat er das Volk mit dubiosen Praktiken und durch Zufuhr von Kapital. Kapital aus welcher Himmelsrichtung? Welche Frage!
Nicht irgendwann, sondern in unserer jüngsten Gegenwart. Es gibt auch viele andere neue „Reiche“ in Rußland. Auch dies ist den Biederfrauen- und männern der politischen Redaktion dieser renommierten überregionalen Tageszeitung Deutschlands, der Süddeutschen Zeitung, zugänglich. München ist einer der begehrenswerten Städte für die „Neureichen“ Rußlands. Sie machen Umsätze in München.
Der einstige Apparatschick der KPdSU der einstigen UdSSR Michail Sergejewitsch Gorbatschow hat binnen weniger Jahre das Kunststück fertig gebracht, die UdSSR zum Zerfall zu bringen und Rußland und die „GUS-Staaten“ dem Kapital der „Internationale Gemeinschaft“ zu öffnen. Es ist auch der Beginn aus Rußland ein Land mit „unbegrenzten Möglichkeiten“ für „tüchtige“ Gesellen zu machen. Die „Internationale Gemeinschaft“ hat als Belohnung Michail Sergejewitsch Gorbatschow nicht nur ein Denkmal gesetzt. Sie hat auch dafür gesorgt, daß Michail Sergejewitsch Gorbatschow selbst, dank der „Operation“ dieser Metamorphose Rußlands, ein ansehnlicher Gewinnler geworden ist.
Bei dieser wundersamen Metamorphose soll überhaupt niemand verloren haben. Wer soll verloren haben? Wird uns nicht unaufhörlich eingehämmert, daß diese Metamorphose eine typische „Win-Win“ Situation gewesen ist? Haben nicht alle in Rußland gewonnen? Hat nicht Michail Sergejewitsch Gorbatschow das russische Volk befreit? Befreit von der „unproduktiven“ Arbeit? Befreit von wer−weiß−von−was sonst?
Nun ist die Macht−Medien−Manipulation im „Westen“ dabei, uns einen russischen “Messias“ zu präsentieren: Michail Borisovich Chodorkowskij. Noch sitzt er im Gefängnis. Angeblich als der ärgste Feind von „Putins-Rußland“. Und dieser Vladimir Putin scheint dumm zu sein. Denn er läßt es zu, daß nicht nur die Süddeutsche Zeitung, sondern auch die International Herald Tribune, Corriiere della Sera und Le Monde im Gefängnis Michail Borisovich Chodorkowskij interviewen und eine „Weltmeinung“ über Rußland, über den Staatspräsidenten Dmitrij Medwedjew, über ihn und über Michail Borisovich Chodorkowskij fabrizieren. Im Gegensatz zu Vladimir Putin weiß dieser messianische Bürgerrechtler, daß: „Die Meinung im Westen spielt in unserem Land eine enorme Rolle.“ Und: „Wladimir Putin weiß, wie schwach seine Herrschaft ist.“ Dieser Vladimir Putin muß wirklich bescheuert sein, nicht wahr? Oder hat das Ganze mit Rußland nichts zu tun? Etwa ein Ablenkungsmanöver? Ablenkung von was? Ein großer Wurf der herrschenden „Denkfabriken“?
Die Opfer der fabrizierten „Weltmeinung“ kennen noch nicht die ganze Geschichte. Hier ist eine Ergänzung dazu. Michail Borisovich Chodorkowskij ist in einem zweiten Gerichtsprozess „wegen Diebstahls und Geldwäsche“ zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. Nach Anrechnung der Strafe aus dem ersten Prozess muß er bis 2017 in Haft bleiben. Vor kurzen ist die Haftzeit nach einem Berufungsverfahren gekürzt worden.
Dieser Bestandteil der Geschichte steht nicht im Mittelpunkt bei meiner Betrachtung. Ich will wissen, wer dieser Michail Borisovich Chodorkowskij ist, wie er zu seinen Milliarden gekommen ist und warum der Westen ihm ein Denkmal errichten will.
Michail Borisovich Chodorkowskij wird 1963 in Moskau geboren. Nein, nicht als ein armer, nicht als ein Tellerwäscher, nicht prädestiniert für einen Aufstieg zum Öl-Milliardär in der „unfreien“ UdSSR . Nein. Er hat einen guten Start. Beide Eltern sind Chemiker in der UdSSR. Auch er studiert Chemie. Er ist auch aktiv in einer Brigade der Jugendorganisation der KPdSU. Eigentlich der Beginn einer bevorzugten Apparatschick-Karriere eines Apparateschicks in der einstigen „egalitären“ UdSSR.
Ein Jahr bevor Michail Borisovich Chodorkowskij sein Studium mit einem Diplom abschließt, hat Michail Sergejewitsch Gorbatschow sich bis zum mächtigsten Politiker der UdSSR, also zum Generalsekretär der KPdSU emporgearbeitet. 1985 gibt es in der UdSSR keinen privaten Besitz über Produktionsmittel, auch keinen Millionär als Grund− und Bodenbesitzer. 1986 macht Michail Borisovich Chodorkowskij sein Diplom in Chemie. Er steht an der Schwelle, um ein Mitglied der systemtreuen „Elite“ in der UdSSR zu werden.
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Nicht nur in den achtziger Jahren des letzen Jahrhunderts liegt in der UdSSR einiges im Argen, vor allem was die Betriebs- und volkswirtschaftliche Produktivität angeht. Die Besetzung Afghanistans und der Rüstungswettlauf im kalten Krieg haben das Land bluten lassen. Die Arbeitsproduktivität der meisten Arbeitnehmer ist im internationalen Vergleich niedrig. Den betrieblichen Rationalisierungen sind Grenzen gesetzt, weil das Recht auf Arbeitsplatz für alle einen höheren Wert hat als die Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Die Erhöhung der Arbeitsproduktivität heißt in der hiesigen Kultur „Rationalisierung“. Im Klartext heißt sie Entlassungen von Menschen aus dem Produktionsprozess. Also der Druck für viele Veränderungen auf den neuen Machthaber Michail Sergejewitsch Gorbatschow ist unermesslich hoch.
In Februar 1986 wird sein Mammutreformplan für die UdSSR in dem 27. Kongreß der KPdSU beschlossen: Glasnost (Transparenz), Perestroika (Restrukturierung), Demokratizatsiya (Demokratisierung) und Uskoreniye (Beschleunigung ökonomischer Fortschritts).
Ein wirklicher Reformplan für die „Räte−Republik“? Oder der Versuch einer Kopie der kapitalistischen Marktwirtschaft gepaart mit der sogenannten repräsentativen Demokratie? Wird nicht dieser Reformplan von den „Trägern der Demokratie“ bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gepredigt und diese Botschaft durch Macht−Medien−Manipulation auf uns ausgeschüttet?
Es kommt, wie es kommen mußte. Michail Sergejewitsch Gorbatschow versucht sich innenpolitisch vom Kapitalismus nur ein bisschen schwängern zu lassen. Zulassung von Privateigentum und Zulassung politischer Parteien. Schließlich entpuppt er sich nicht nur als Totengräber der UdSSR, jener mit ihr verbündeten Republiken und der Kommunistischen Parteien bis 1991, sondern auch als ein Selbstmörder als Politiker. Er versagt in der UdSSR total. Aber er läßt sich außerhalb der UdSSR zelebrieren, von den kapitalistischen Haien.
Er hat offensichtlich auch heute noch nicht gemerkt: „und der Haifisch der hat Zähne“. Und er sieht nicht, daß es nicht wenige Haifische mit verdeckten Zähnen auch in der UdSSR gegeben hat. Von 1986 an wachsen nicht nur russische Mafiosi wie Pilze aus dem Boden, sondern auch Räuber aller Größen, die sich das Volksvermögen mit korrupten Praktiken aneignen, viele Politiker daran teilhaben lassen, Kasse gemacht haben und Kasse machen. Millionen und Milliarden. Und wer hat gekauft? Lassen wir diese Frage vorläufig als ein Merkposten, als ein wichtiger Merkposten stehen.
Michail Sergejewitsch Gorbatschow verbringt sechs ereignisreiche Jahre im Schoß des „Westens“. Die UdSSR verschwindet von der Landkarte. Die GUS-Staaten entstehen. Im weiten Land der UdSSR entwickeln sich die Kommunistischen Parteien zur Bedeutungslosigkeit. Das weite Land der UdSSR wird für die „Internationale Gemeinschaft“ des „Westens“ durchlässig.
Die DDR fällt in den Schoß der BRD. Das ganze wird gefeiert als der endgültige Sieg des Kapitalismus. Das große, nicht nur an Bodenschätze reiche Rußland verwandelt sich zum Beutefeld vieler. Michail Sergejewitsch Gorbatschow wird für diese seine Leistung reichlich belohnt. Nicht durch die Völker des riesigen Gebiets der UdSSR. Sondern durch die Kapitalisten. Zunächst mit Einladungen, mit Lob, mit Umarmungen, ohne Ende.
1987 erhält er den Internationalen Indira-Ghandi-Friedenspreis in Delhi/Indien.
1988 wählt ihn das US-amerikanische Magazin "Time" zum, „Mann des Jahres“
1989 macht er den Spruch in Ost-Berlin: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben".
1990 erhält er den Nobelpreis für Frieden
1991 gründet er “The Gorbachev Foundation”, Sitz in San Francisco, California. Der Präsident: Michail Sergejewitsch Gorbatschow, Vize Präsident: Irina Mikhailovna Gorbacheva-Virganskaya
1992 wird er Kolumnist für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, darunter die "Komsomolskaja Prawda", die "New York Times", die Turiner "La Stampa" und die deutsche Illustrierte "Bunte".
Gorbatschow wird mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlin für seinen Einsatz um die deutsche Einheit ausgezeichnet.
1992 erhält er den zum ersten Mal vergebenen „Ronald Reagan Freedom Award“, überreicht in „Ronald Reagan Presidential Library, Simi Valley, California.
1993 erhält er “Legum Doctor, honoris causa” von Carleton University in Ottawa, Canada.
1994 erhält er den “Grawemeyer Award“ von der University of Louisville in Louisville, Kentucky “for improving world order” (was das auch sein mag)
1995 die Ehrendoktor von der Durham University, County Durham, England für seinen Beitrag zur politischen Toleranz und zur Beendigung der “Cold War-style confrontation".
Und so weiter und so weiter und so weiter. Aber zurück zu Michail Borisovich Chodorkowskij und wie er zu seinen Milliarden gekommen ist.
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Michail Borisovich Chodorkowskij wird, wie schon erwähnt, 1963 in Moskau als Sohn eines Chemikers und einer Chemikerin geboren. Mit achtzehn Jahren 1981 nimmt er ein Chemiestudium am Chemisch-Technischen Mendelejew-Institut in Moskau auf und arbeitet während der Studienzeit parallel als Mitglied einer Brigade des Komsomol (der Jugendorganisation der KPdSU) in einem Moskauer Wohnungsbaukombinat. 1986 schließt er die Hochschule als Diplomchemiker ab. Er ist jetzt 23 Jahre alt. Von 1986 bis 1987 ist er stellvertretender Komsomolsekretär am Mendelejew-Institut. Es ist die erste technische Einrichtung in der UdSSR, die seit 1920 Spezialisten für technische Chemie ausbildet. 25jährig immatrikuliert er im Studiengang Volkswirtsschaftlehre an der Moskauer Plechanow-Wirtschaftsuniversität. Bis hier hin ist es zuverläßig belegt, wie sein Lebenslauf verlaufen ist. Er hat selbstverständlich das Studium im Studiengang Volkswirtsschaftlehre nicht zu Ende geführt.
Viele Geschichten werden um ihn verbreitet. Beispielsweise über die berufliche Diskriminierung, weil sein Vater Jude gewesen ist. Es klingt doch gut! Wir haben seinen Werdegang bis zu seinem 25. Lebensjahr mit harten Fakten beschreiben können. Wann und wo soll er Opfer als ein „viertel Jude“ in der UdSSR geworden sein? Aber es verkauft sich hier doch gut, daß er möglicherweise der Präsident Rußlands geworden wäre, wenn sein Vater nicht ein Jude gewesen wäre. Denn „ursprünglich wollte Michail Borisovich Chodorkowskij in die Rüstungsindustrie eintreten, aber wegen seiner jüdischen Herkunft väterlicherseits konnte er sich diesen Wunsch nicht erfüllen“, heißt es unisono in der Industrie der Macht−Medien−Manipulation in der freien Welt.
Er hat einen Bilderbuchstart in der UdSSR für eine Karriere als Apparateschick, den er aber zwischen seinem 26. und 36. Lebensjahr über „dreckige Geschäfte“ im Verbund mit vielen anderen Apparateschicks nutzt, um den Naturreichtum Rußlands zu vermarkten, zu Geld zu machen. Und dieser Markt ist nicht in Rußland. Die „Reformer“ Gorbachov und Jelzin schaffen jenen Goldgräberrausch, in dem gegrabscht wird, was es zu grabschen gibt. Über Finanztransaktionen vieler kapitalistischen Art schafft es Michail Borisovich Chodorkowskij 1996 45% der Aktien des Mineralölunternehmens Jukos in seinen Besitz zu bringen. Dieser Tatbestand bringt ihm Respekt im Westen ein, weil er diese Art von Karriere zunächst in der UdSSR und später in Rußland die Türe geöffnet hat, um an dem Ausverkauf Rußlands Teil zu haben. Denn, nach Vollzug von Raub gilt im Kapitalismus der Spruch: Geld stinkt nicht. Logisch, daß die Ölkonzerne der „Internationalen Gemeinschaft“ auch bei Michail Borisovich Chodorkowskij mit von der Partie sind.
Die Arten der Winkelzüge Michail Borisovich Chodorkowskijs, oder vieler „Neureichen“ sind in diesem Zusammenhang nicht besonders erläuterungswert. Diese sind überall dieselben. Bestechen, Rauben, andere aufs Kreuz legen. Auf welche Weise auch immer. Anders geht es nicht. Das besondere in diesem Zusammenhang ist, daß Rußland uns unmißverständlich deutlich vor Augen führt, daß keiner Vermögen ansammeln kann, wenn er nicht das Vermögen anderer an sich bringt.
Die Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen hat 2003 veröffentlicht:
„Am 25. Oktober 2003 wurde auch Chodorkowskij verhaftet unter der Anklage des schweren Betrugs, der Steuerhinterziehung, der Urkundenfälschung und der Zufügung von Eigentumsschäden durch Irreführung und Vertrauensmissbrauch. Am 3. November gab er aus der Haft heraus bekannt, daß er seine Posten bei Jukos niederlege und sich aus dem Konzern zurückziehe.
„Chodorkowskijs Karriere ist in vieler Hinsicht typisch für die Finanz- und Industriemagnaten der Jelzin-Ära. Auf bestem Weg zu einer klassischen sowjetischen Karriere im Komsomol-, später im Parteiapparat, erkennt der 24jährige die Chancen, die die Gorbatschowsche Liberalisierung bietet, und übernimmt die Leitung eines Komsomolbetriebes, dessen Finanzierung er durch die Gründung einer Bank sichert und den er später privatisiert. In der Gründerphase nach dem Zerfall der UdSSR gewinnt seine Bank rasch an Boden, nicht zuletzt infolge der engen Beziehungen zu Regierungskreisen und zum Umfeld Jelzins, die Chodorkowskij pflegt. Die Nähe zur Politik verschafft ihm Vorteile bei der Privatisierung der ehemals sowjetischen Staatsbetriebe und so baut er in kurzer Zeit aus dem Nachlas der UdSSR ein regelrechtes Finanz- und Industrieimperium auf. Mit dem Rücktritt Jelzins verliert er aber seinen wichtigsten politischen Beschützer.“
Dieser Bericht der Forschungsstelle der Universität ist atypisch im „Westen“. Der Typische Tenor der Berichte ist: Die Verhaftung Michail Borisovich Chodorkowskijs und der anschließende Prozeß gegen ihn habe wenig mit Steuerhinterziehung als mit seiner Liebe zur Freiheit in „Putins Rußland“ zu tun. Eigentlich soll der „Präsident Putin“ auch noch wortbrüchig geworden sein. Putin soll allen „Oligarchen“ „offiziell zugesichert haben, daß ihre zurückliegenden Gesetzesüberschreitungen während der Raubritterphase der Jelzin-Ära nicht verfolgt würden – aber nur, wenn sie die politischen Interessen Russlands vertreten.“ Nein! So etwas! Es klingt ja nach einer Amnestie für die russischen Raubritter. Wo bleibt der Beleg für diese Zusage einer Amnestie?
Michail Borisovich Chodorkowskij, wie schon erwähnt, erhält neun Jahre Haft in einem Straflager unter anderem wegen schweren Betruges und Steuerhinterziehung. Ein Revisionsgericht reduzierte die Strafe auf acht Jahre Haft. 2009 wird er wegen Unterschlagung von umgerechnet rund 20 Milliarden Euro in den Jahren 1998 bis 2003 und Geldwäscherei zu weiteren sechs Jahren Haft verurteilt. Ein Revisionsgericht mildert die Strafe etwas.
Ein nicht unwichtiger Nachtrag zur Moral der Propaganda im freien Westen über die Gerichtsverfahren gegen Michail Borisovich Chodorkowskij. Amnesty International hat seine Verurteilung durch russische Gerichte als politisch motiviert angesehen. Er hat deshalb den Status eines prisoner of conscience (dt. gewaltloser politischer Gefangener) erhalten. Am 24. Mai 2011.
In seinem Urteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Verurteilung von Michail Borisovich Chodorkowskij durch russische Gerichte als nicht politisch motiviert eingestuft. Am 20. September 2011.
Die russischen Raubritter aller Größenkategorien sind etwa 45 Jahre alt. Sie sind zwischen 1985 und 1990 zu Apparateschick gut ausgebildet gewesen. Michail Sergejewitsch Gorbatschow und Boris Nikolajewitsch Jelzin haben diesen Raubrittern den Weg bereitet. Sie haben die Gunst der Stunde genutzt, sich das Volksvermögen anzueignen und im Ausland zu veräußern. Die Russen haben wenig Kaufkraft.
Die Kaufkraft besitzt die „Internationalen Gemeinschaft“. Die russischen Milliardäre und Millionäre sind gern gesehene Gesellen hier. Denn: Geld stinkt nicht. Großbritannien hat diese Tage einem russischen Banker Asyl gewährt. Dem Raubritter Andrej Borodin, geboren 1967 in Moskau, bis 2011 der „Präsident“ der Bank von Moskau. Er wird von Interpol gesucht. Seit April 2011 lebt er in London. Im August 2012 kauft er „Park Place“, eines der teuersten Häuser Britanniens nahe Henley−on−Thames. Preis: ca. zwei Millionen Euro. Die Moral? Wie gesagt: Geld Stinkt nicht. Schon die alten Römer haben es gewußt.
Geld Stinkt nicht.
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Michail Sergejewitsch Gorbatschow und Boris Nikolajewitsch Jelzin haben jüngst vorgeführt, wie reiche russische Raubritter reich geworden sind. Eigentlich ein Lehrstück, wie das Vermögen eines Volkes privatisiert wird. Das russische Volk ist ärmer geworden. Doch sehen die Macher der Macht−Medien−Manipulation keinen Zusammenhang zwischen Armut und Reichtum.
Vor kurzem hat die ARD, die Vorzeige−öffentlichrechtliche Medienanstalt eine Talkshow ausgestrahlt: „Menschen bei Maischberger“. Das Thema: Geld ist Geil: Ist Reichtum eine Schande? Gäste. Robert und Carmen Geiss (Millionärsehepaar aus Monaco), Harald Ehlert (Gründer einer Obdachlosenhilfe in Berlin), Oliver Intemann (Ex Lottomilionär), Martin Lindner (FDP Politiker), Michael Hartmann (Elitenforscher).
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Ich werde in weitern Blogs Fragen Müssen: Wer weiß, warum ein Armer arm ist? Und, was ist schließlich arm? Was ist Armut. Was ist das Gegenteil von Armut?