Guttenberg hat bereits die Gnade „der zweiten Chance“ verspielt

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Gedanken Zu. Macht, Medien, Manipulation, Moral

Ich kann des unguten Eindrucks nicht erwehren, daß das große Kehren unter dem Teppich schon begonnen hat. Bald wird Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg als nur eine Affäre, nur ein Skandal, ein schwarzer Schaff abgefeiert. Mit vielen Mittel werden versucht, die Tatsache zu leugnen, daß die gesellschaftliche Handhabung das von Guttenberg begangenen Plagiat viele Eltern hat und nur die Spitze einer maroden Kultur der wissenschaftlichen Arbeitsweise ist.

Ist das Plagiat nicht in der herrschenden Kultur der wissenschaftlichen Arbeitsweise flächendeckend verbreitet? Seit wann besteht das Zitier-Ritual? Schreibe ich nicht ab, wenn ich um meine Position zu stützen, Autoren vor mir ordentlich zitiere? Das geistige Eigentum hin das geistige Eigentum her. Das herrschende Ritual des Zitierens hat nichts mit der Wissenschaftlichkeit zu tun.

Abschreiben bleibt Abschreiben. Moderne Wissenschaftler sind Abschreibekünstler. Ich kann keine Rechtfertigung für Zitate in einer wissenschaftlichen Arbeit finden, wenn nicht der Inhalt des Zitats kritisch gewürdigt und widerlegt werden soll. Unsere Bibliotheken sind voll mit Büchern mit Zitatendschungel ohne eine Quellenkritik der Zitate. Wie viel sind diese Bücher Wert? Anmerkungen, Bibliographie und Index sind ebenfalls Mogelpackungen, wenn nicht sämtliche Veröffentlichungen herangezogen werden.

Aber solange wir bereit sind, diese Unsitte zu leben, kann für keinen eine Ausnahme gemacht werden. Es sind zwei unterschiedliche Ebenen der Diskussion. Aber zurück zu der Funke-Guttenberg, die fast ein Flächenbrand verursacht hat. Der Flächenbrand ist das einzig Positive in diesem erbärmlichen Schauspiel.

Sollten wir unser Erinnerungsvermögen kleiner gestalten als die Festplatte unseres Computers? Sollten wir den schnellen erzwungenen Wandel der Reaktionsmuster öffentlicher Meinungsmacher verdrängen und vergessen? Hatte es nicht damit begonnen, daß ein linker Professor, der 38-jährige Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano, dem Lichtgestalt Guttenberg anzupinkeln versucht hat? Müßten nicht alle Professoren, die mit dieser erbärmlichen Dissertation in Berührung gekommen waren, schämen, daß ihnen nicht einmal der sprachliche Stilbruch - verursacht durch Plagiat - nicht aufgefallen war? Auch nicht dem Lektor des traditionsreichen Wissenschaftsverlags Duncker & Humblot?   

Gelingt ein erfolgreiches Kehren vom eigentlichen Schmutz, dann werden wir von allen Seiten das eingetrichtert bekommen, was der Nachfolger des Doktorvaters von Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Oliver Lepsius, bereits eingeläutet hat. Der Staatsrechtler und Jura-Professor Oliver Lepsius soll der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung“  zum Fall Guttenberg erklärt haben:  "Wir fühlen uns getäuscht. Wir sind einem Betrüger aufgesessen." Und er soll auch aufgezeigt haben, welcher Ruf für die Uni auf dem Spiel steht: "Wir gehören zu den zehn besten rechtswissenschaftlichen Fakultäten in Deutschland." Nun!

Die „FAZ“ hat Oliver Lepsius wahrscheinlich nicht gefragt, warum er so spät diese Erklärung abgibt, warum seine Fakultät den Doktorgrad nach der eigenen Promotionsordnung nicht  aberkannt hat und die Krücke eines Verwaltungsverfahrengesetzes bemüht hat, um die klare Aberkennung wegen des erwiesenen Plagiats zu umgehen. Opportunismus? Oder was?

Ich will nicht die Chronologie über die Arroganz, die Dummheit, die Erbärmlichkeit, die Selbstüberschätzung  und die Verantwortlichkeit nicht allein von Guttenberg in Einzelheiten wiederholen. Vom kompletten Fehlen des Realitätsbewußtsein von Guttenberg und seinen Unterstützer ganz zu schweigen.

 Ich bin fast geneigt anzunehmen, daß  Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg heute noch genau weiß, was Plagiat ist, was das Erwerben eines akademischen Grades mehr ist als ein Hemd erwerben. Er weiß es nicht, weil keiner ihn Wissenschaft und die wissenschaftliche Arbeitsweise beigebracht hat. Mit nicht wissen möchte ich behaupten, daß während seines ganzes Studiums an der Universität Bayreuth Guttenberg keine Gelegenheit gehabt hat, ein Prosemnar, Seminar oder Vorlesung zu den obigen Themen besuchen. Die Universität Bayreuth soll das Gegenteil belegen.

Wo soll ein verwöhnter Spross eines reichen Adelgeschlechts die Normen und die Werte der akademischen Gemeinde und die der Wissenschaft erlernen, wenn er doch von seiner frühestens Kindheit Menschen aller gesellschaftlichen Schichten nur in der Bücklingshaltung erlebt hat? Ebenfalls mit nicht wissen möchte ich annehmen, daß Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg in Franken ohne Fleiß ein sehr gutes Abitur und ein sehr gutes Erstes Staatsexamen in der Rechtswissenschaft an der Universität Bayreuth gemacht hat. Ein Heimspiel mit einem Heimschiedsrichter so zu sagen.

Es ist nicht von Bedeutung, aus welchem heiteren Himmel das Dissertationsthema auf Guttenberg niedergeprasselt war. Das Thema der Dissertation war da. Die Fakultät hatte das Thema angenommen. Die beiden Doktorväter waren entlastet. Mir ist keine wissenschaftliche Arbeit bekannt, in der untersucht worden ist, wie ein studierender zu seinem Diplom- oder Dissertationsthema kommt. Auch nicht, ob die Vereinbarung der Themen mit der eigentlichen wissenschaftlichen Entwicklung was zu tun hat oder nur ein Ritual ist, um ein akademisches Zeugnis zu ergattern.

Ich will auch nicht wissen, in dem konkreten Fall Häberle, Streinz und Guttenberg, wer wem die größere Ehre erwiesen hat. Wie auch immer. Nach der Annahme des Themas durch die Fakultät, trägt diese mindestens genau so viel Verantwortung  über die Wissenschaftlichkeit wie die beiden Doktorväter. Nur, in dem Dissertationsthema von Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg: „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“ kann ich beim besten Willen nichts wissenschaftliches erblicken.

Das Zusammentragen von veröffentlichten Beschreibungen über Verfassung und Verfassungsvertrag in zwei geographischen Gebieten schafft auch ein Abiturient. Was einem Abiturienten eventuell etwas schwerfallen könnte, wäre das rezeptierte aus der sekundären Literatur geistig zu verarbeiten und das Verarbeitete schriftlich klar und verständlich wiederzugeben. Dem beredsamen Guttenberg schien dies schwer gefallen zu sein, seine Verarbeitung der Literatur durchgehend in eigener Diktion zusammenzufassen und in Anmerkungen die Quellenanzugeben. Zudem scheint er überzeugt gewesen zu sein, jene von ihm ausgewählten Stellen anderer Verfasser in seinen eigenen Diktion unter Umständen die Substanz verlieren würde. Selbst wenn Guttenberg des Rituals der sogenannten wissenschaftlichen Arbeit mächtig gewesen wäre, wäre diese Dissertation keine wissenschaftliche Arbeit, von summa cum laude ganz zu schweigen.

Guttenberg hat bereits die Gnade „der zweiten Chance“ verspielt, weil er unmittelbar nach dem erwischt werden nicht zugegeben hat, daß er mit „Unwissen“ viele lange Passagen fremder Veröffentlichungen wörtlich und leicht verändert übernommen hatte. Er hätte de facto Plagiats eingestehen müssen. Er hätte auch die Versäumnisse seiner Betreuer, Gutachter und Prüfer erwähnen können. Doch hätte er ohne wenn und aber die volle Verantwortung übernehmen müssen. Nach einer solchen Erklärung hätte er von allen öffentlichen Ämtern zurücktreten müssen. Dann hätte zwar der Funke-Guttenberg keinen Flächenbrand verursacht. Aber er hätte keinen unehrenhaften Abgang, der jetzt unvermeidlich sein wird.  

 

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