Guttenberg wird eine Episode sein wie jene geplatzte „dot com“ Blase
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Gedanken Zu. Macht, Medien, Manipulation, Moral
Dies ist mein letztes Blog zu Karl-Theodor
Freiherr von und zu Guttenberg. Danach werde ich mein Augenmerk auf die Beihelfer des Plagiats von Guttenberg
richten. Es sind viele. Und auf das Umfeld, auf die Qualität des
wissenschaftlichen Arbeitens und auf die Qualität der wissenschaftlichen
Forschung von heute. Diese Beihelfer
stehlen sich entweder ihrer Verantwortung,
oder sie sind mehr oder weniger abgetaucht und glauben, so ihre Bringschuld zur
Aufklärung unter die Decke halten zu können. Beides sollte nicht gelingen.
Ist das Plagiat in der herrschenden, an
geldwert orientierten, Kultur nicht flachendeckend? Wird nicht geblufft,
geklaut, betrogen, getäuscht, über den Tisch gezogen und wenn nötig auch Gewalt
angewendet? Bleibt die Wissenschaft davon verschont?
Auch etablierten Wissenschaftlern ist all
dies nicht fremd. Auch sie halten ihre Leichen im Keller. Warum sollte ihnen der
Rock nicht näher sein als die Normen und die Werte der Wissenschaft? Vor der
Erfindung von „Copy right“ und des „geistigen“ Eigentums fiel das Plagiat in
der Wissenschaft nicht so sehr ins Gewicht.
Doch wird in der Ausbildung des
wissenschaftlichen Nachwuchses scheinheilig auf die Achtung vom „geistigen“
Eigentum anderer gepredigt. Also gilt diese Regel in allen schriftlichen
akademischen Prüfungen. Dennoch finden nicht nur Plagiate flächendeckend statt. Nicht erst seit das Internet
auch für Schüller erschwinglich geworden ist. Intelligent begangene Plagiate werden
nicht erwischt. Plumpe Plagiate fallen auf. Damit sind wir bei dem konkreten
Fall Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg.
Guttenbergs Plagiat besitzt Facetten, die
ungewöhnlich sind. Es gibt vielfältige Interessen, diese Facetten unter dem
Teppich zu kehren. Aber alles an der Reihe nach. Bis 15 Februar 2011 ist Dr.
jur. Guttenberg 39jährig der Strahlemann
der Union, Star der Springer--- und gelben Presse, Liebling der Deutschen
demographischen Öffentlichkeit, ein Verteidigungsminister „ohne Alternative“,
darf sich alles herausnehmen in der Öffentlichkeit, wird als künftiger Kanzler
gehandelt. Sein politischer Leistungskatalog? Leer. Null. Wie kommen die Demoskopiewerte
zustande? Wie auch immer.
Das politische und gesellschaftliche Klima um
Guttenberg muß doch dennoch explosiv geladen gewesen sein, ohne daß irgendwer
oder irgendeine Instanz es gemerkt hätte. Sonst hätte der Funke in der
"Süddeutsche Zeitung" vom 16.02.2011 keinen Flächenbrand verursacht.
Der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano bezeichet die Dissertation Guttenbergs
als "dreistes Plagiat" und "Täuschung". Dies war ihm bei
der Rezension der als Buch herausgekommen Dissertation für eine juristische
Fachzeitschrift aufgefallen. Die arrogante, dumme, dreiste und gereizte schnelle
Reaktion Guttenbergs und seines Doktorvaters Peter Häberle hat aus diesem
Funken den Brand entfacht. Guttenberg: "Der
Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus." Häberle: „Der Vorwurf ist absurd, die Arbeit
ist kein Plagiat“ und „Sie wurde von mir in zahlreichen Beratungsgesprächen
eingehend kontrolliert.“
Fortan demontiert Guttenberg sich selbst. Die Gelbe
presse ist mit von der Partie. Bagatellisierung, scheibchenweise Eingeständnisse,
versuchte Trennung von den charakterlichen Webfehlern im Umgang in akademischen
Angelegenheiten und die „alternativlose“ Eignung als Verteidigungsminister,
Flucht in die Versenkung mit viel Geräusch. Ohne Nachdenken, ohne Reue, ohne
Busse.
Seine akademischen Lehrer bleiben in der Tauchstation.
Bis auch sie mit der plumpen Strategie in die Öffentlichkeit gegangen sind.
Nämlich: Uns trifft keine Schuld. Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Als
akademische Lehrer der Jurisprudenz müssen sie offensichtlich nicht
vergegenwärtigen, daß kein Betrüger Erfolg haben kann, wenn er keinen zum Betrügen
gegenüber findet. Über die Strategie der Hochschullehrer der Universität
Bayreuth, und der Hochschullehrer schlechthin, in späteren Blogs mehr.
Auffallend bei dem Fall Guttenberg ist, daß immer noch
wichtige ungeklärte Fragen im Raum stehen. Nach „genauen Lesen“ seiner eigenen
Arbeit räumt er selbst scheibchenweise ein, daß seine Desertation
„Zitierfehler“, „handwerkliche Fehler“, „Gravierende Fehler“, „viel Blödsinn“
enthält. Seine „Doktorarbeit“ verdiene letztlich den Doktorgrad nicht, den er
Zeitweise ruhen lassen, später abgeben wollte.
Er gibt aber Plagiat nicht zu, weil er beschränkt
genug ist anzunehmen, daß die „Rechtflege“ Deutschlands einem Guttenberg
abnehmen wird, daß er zwar vom geistigen Eigentum anderer abgeschrieben hat,
aber nicht bewußt.
Seine Sucht nach Effekthascherei und Eitelkeit kennt
keine Grenzen. Anläßlich des Großen Zapfenstreich bei seiner Verabschiedung von
der Bundeswehr hinterlässt er ein bemerkenswertes Versprechen, das wiederum in
der Süddeutschen Zeitung so zu lesen ist: „Guttenberg.sagte am Abend, für ihn
folge jetzt eine Zeit der Ruhe und Aufarbeitung, aber auch der Reue und Buße.
Er werde auch einige Gedanken aufschreiben. „Es sind eigene Gedanken, die ich
hier aufschreiben werde, und das ist eine Lehre der vergangenen Zeit.“ Ich habe
diesen letzten Absatz in der „SZ“ mehr als einmal gelesen.
Es drängen Fragen auf.
Warum hat Guttenberg sich nicht
damit zufrieden gegeben, nach seiner mündlichen Prüfung 2007 die verlangte
Pflichtexemplare privat drucken zu lassen und der Universität Bayreuth still
und leise abgegeben? Sein Plagiat wäre dann möglicherweise nie
aufgeflogen. Fehlende Intelligenz? Fehlender Realitätsbewußtsein?
Warum hat es fast drei Jahre
gedauert, bis er Duncker & Humblot als Verlag gewonnen konnte?
Welche Erklärung gibt es für
seine allererste Reaktion: "Der Vorwurf, meine Doktorarbeit
sei ein Plagiat, ist abstrus." Auch wenn er nicht sehr helle ist,
macht er doch nicht den Eindruck, daß hinter seiner flotten Rhetorik eine weit
unterdurchschnittliche Intelligenz birgt. Oder?
Bekanntlich sind
die Guttenbergs so reich, daß sie alle Arbeiten, die sie von fremden haben
kaufen können, haben auch gekauft. Warum sollen sie dies nicht tun, wenn
sie sich dies unbestraft leisten können? Hat Karl-Theodor Freiherr von und
zu Guttenberg seine Dissertation schreiben lassen?
Hat er etwa im
Geiste in der Zeit vor „Copy right“ und vor der Erfindung vom „geistigen“
Eigentum gelebt? Die Guttenbergs leben alte Traditionen. Wäre es so, wären
einige scheinbar widersprüchliche in den Verteidigungsbemühungen von
Guttenberg 2011 erklärt. Nur, für diesen Fall hätte er die Erklärung nicht
unterschreiben dürfen, daß alles in seiner Dissertation er selbst
geschrieben hatte.
Oder hat sein
Realitätssinn ihm einen Streich gespielt? Hat er geglaubt, daß nach
dreijährigen Lagern seiner Dissertation über das Plagiat genug Gras
gewachsen war?
Warum hat er das
Plagiatmachwerk nicht als ein neugeschriebenes
Buch veröffentlicht, und nicht als seine Doktorarbeit? Hat er nicht
gewußt, daß das „Ghost writting“ für solche Veröffentlichungen immer noch
Gang und gebe ist?
Hat er nicht
gewußt, daß Verlage durch Verlegen Geld vermehren wollen? Daß der Verlag
Duncker & Humblot nur Geld verdienen kann, wenn das Buch von Guttenberg
in nicht nur Fachzeitschriften besprochen wird?
Wollte er etwa
das Geld für den Privatdruck für die Pflichtexemplare sparen?
Ich schließe die Möglichkeit nicht aus, daß auch
diesem Guttenberg das Unrechtbewußtsein
fremd ist. Guttenbergs werden sich als allerletzte fragen, wie die Guttenbergs
durch die Jahrhunderte zum Großgrungbesitz und zum großen Reichtum gekommen
sind. Oder wie Grundbesitzer zum Großgrundbesitz kommen. Wie die Reichen zum
Reichtum kommen. Unrecht? Nein. Sie machen Fehler. Sie entschuldigen sie sich
später. Ist das nicht genug?
Ich kann die Möglichkeit nicht ausschließen,
daß Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg heute noch nicht weiß, was
Plagiat im akademischen Bereich ist. Wo soll ein verwöhnter Spross eines
reichen Adelgeschlechts die Normen und die Werte der akademischen Gemeinde und
die der Wissenschaft erlernen? In der fränkischen Universität in Bayreuth etwa?
Wäre in seiner Abfassung der Dissertation etwas nicht in Ordnung gewesen, hätte
er doch nicht die Höchstnote bekommen. Oder? Schließlich ist die fränkische
Universität in Bayreuth nicht die „Universität Innsbruck“!