Ein Dokumentarfilm. Recherchiert, hergestellt und gesendet vom WDR in 1985
Der Filmbericht ist im Blog verknüpft. Einige Hintergrund
Informationen hierzu sind von Bedeutung. Den Rausch sogenannter Empirischer Sozialforschung,
also Befragung, Datensammlung, Tabellen, statistische Formeln, Rechenzentren,
Datendeuten, usw., hatte ich hinter mir. Ich entdeckte neue Qualität in typischen Einzelfällen, in Biographien,
in schriftlichen Dokumenten. Sie sind schwerer zugänglich, enthalten aber weit
weniger Entstellungen und Lügen.
Dann entdeckte ich auch die Aussagekraft der
audio---visuellen Mitteln, also von Ton und Bild, für die wirklichkeitsnahe
Beschreibung gesellschaftlicher Realität nicht nur in Teilbereichen. Voraussetzung
dafür ist Sichtung überlieferter schriftlichen Dokumente, klar beschriebenes Erkenntnisinteresse,
Identifizierung der wirklichen Akteure, Stellen dieser Akteure zur Rede und
Antwort, keine Inszenierung, keine Wiederholung von Aufnahmen.
Der wirksame Einsatz von Ton und Bild erfordert Ausdauer,
Disziplin, Geduld, Kompromisslosigkeit und Konzentration. Der Forschungsbericht
ist stets ein Dokumentarfilm, in dem die Wirklichkeit nicht bebildert wird. Der
Ton und das Bild spiegeln die Wirklichkeit. Macht aus Storm ist mein achter und letzter Dokumentarfilm. Er ist
eher das Ergebnis eines Betriebsunfalls im WDR. Und warum letzter? Die
Erklärung wird nachgeliefert.
Die Geschichte der RWE beginnt in der Stadt Essen. Nur
das Archiv der Stadt Essen steht für die überlieferten schriftlichen Dokumente
offen. Alle anderen Archive verweigern den Zugang. Selbst die uralte
Bilanzberichte darf ich nicht einsehen. Literatur über die geschichtliche
Entwicklung von RWE? Leider Fehlanzeige. Auch für die Volkswirte renommierter
Universitäten in Deutschland ist diese Industrie--- und Sozialgeschichte nicht interessant gewesen.
Nur wenige Protagonisten können wir stellen. Nur wenige
sind bereit, ihr Wissen über die Zusammenhänge öffentlich zu machen.
Hans-Ulrich Klose ist beispielhaft. Als Hamburger Bürgermeister setzt er sich mit
der HEW auseinander. Ernsthaft. Er verlor und mußte als Bürgermeister
zurücktreten. Er kennt die Macht aus
Strom aus unmittelbarer Erfahrung. Seine politische Karriere endet. So scheint
es. Aber die SPD hat nicht so viele politische Talente. Als Abgeordneter des
Bundestages kehrt er in die Politik zurück.
Ich bitte ihn, mir als Kenner der Energiewirtschaft Rede
und Antwort zu stehen. Er ist freundlich und geduldig. Er will mir alles über
sein wissen erzählen, aber ohne „Ton und Kamera“. Herbert Wehner hat sein Wort,
daß er niemals wieder öffentlich zur Energiewirtschaft etwas sagen wird. Der
Preis für seine zweite politische Karriere. Wenn ich die Absicht hegen würde, so
Hans-Ulrich Klose, etwas über das Gespräch zu erzählen, würde er das
Stattfinden des Gesprächs leugnen. Ich habe auf sein Wissen verzichten müssen.
Trotzallen dem eröffnet dieser Dokumentarfilm Macht aus Strom Einblicke in eine noch unerzählte Sozialgeschichte. Auch darüber wie die einst
finanziell sehr gutgestellten deutschen Gemeinden von der RWE ausgeplündert wird.
Nach dem „tausendjährigen“ Reich werden die Bundesländer über
ihre Landesbanken und auch der Bund der Bundesrepublik Deutschland rücksichtlos
ausgeplündert. Jene gewählte Vertreter des Volkes das Lied des billigen
Atomstroms singen, müßten sich sagen lassen, mit ihren kurzen Gedächtnis
disqualifizieren sie sich als Volksvertreter, wenn sie nicht auf der heimlichen
Gehaltsliste der Atomlobby stehen. Mich wundert es nicht, daß keiner an diese Sozialgeschichte
dran drängt.
Auch mein Filmbericht hat eine kleine Sozialgeschichte.
Der Bericht ist als ein Dokumentarfilm für die Sendung beim WDR fertig. Sendefertig
abgenommen. Zum Sendetermin bin ich in Indien. Nach meiner Rückkehr muß ich
feststellen, daß der fertige Text und auch einige Bilder zensiert worden sind.
Übel und dümmlich. An dieser Stelle ist nur die Kostprobe.
Der WDR hat offensichtlich während meiner Abwesenheit den
Film vor dem Sendetermin noch einmal angesehen und hat sich darüber aufgeregt.
Ich hätte in dem Film für den Gründer von RWE, für Hugo Stinnes, in böser
Absicht nur ein einziges sehr unvorteilhaftes Bild eingesetzt. Das muß ja nicht sein. Also
bestellt der WDR Bilder von Hugo Stinnes bei kommerziellen Bilderarchiven.
Bilder von Hugo Stinnes werden auch geliefert. Das von mir eingesetztes Bild wird
mit Ausnahmen ausgetauscht.
Die übereifrigen Zensoren übersehen dabei, daß der Sohn
von dem Gründer Hugo Stinnes auch Hugo Stinnes heißt. Sein Bild im mittleren Lebensalter wird neu in
meinem Filmbericht eingefügt. Der Gründer Hugo Stinnes stirbt 32jährig. Von ihm
ist tatsächlich nur ein einziges Foto überliefert, das auch in diesem Film zu
sehen ist. Ein zweifelhaftes Vergnügen. Zwei Gründer Hugo Stinnes mit sehr
unterschiedlichem Antlitz zu sehen. Im Eifer der Textzensur haben die Zensoren
sogar aus „Trend Setter“ „Trade Setter“ gemacht.
Ich bringe natürlich mein Unmut zum Ausdruck und verlange,
daß der unzensierte Film ausgestrahlt wird. Nun, der WDR ist mächtig. Nicht
einmal meine Gewerkschaft RFFU ist bereit, mir Rechtschutz zu gewähren. Ich
habe mich dieser Marktmacht beugen müssen.
Dies ist der Hauptgrund, warum ich kein Dokumentarfilm
mehr gemacht habe. Außerdem war es schmerzlich, daß ich das ganze Forschungsergebnis
in eine halbe Stunde habe pressen müssen. Die Vergewaltigung einer immer noch
nicht erzählten Sozialgeschichte. Ein Glück, daß ich nicht von Dokumentarfilmen
mein Leben habe bestreiten müssen.