„Plagiat“? Wissenschaft als Abschreibekunst. Die Marktwissenschaft heute.
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Gedanken zu: Macht, Medien, Manipulation, Moral.
Die öffentlich wahrzunehmende Heuchelei und die
Verlogenheit von (oder doch der?) Journalisten, Publizisten, politischer Elite und vor allem von
Universitätsprofessoren stinken zum Himmel. Sie wollen nicht wahrhaben, daß der
Plagiatsfall Guttenberg an der Universität Bayreuth nicht vom heiteren Himmel
heruntergerasselt ist, sondern logische Folge der Verhältnisse an der
Bayreuther Universität ist. Und Bayreuth
ist überall. Journalisten, Publizisten, politischer Elite und vor allem von
Universitätsprofessoren wollen dies nicht wahrhaben, obwohl sie es wissen, zumindest
wissen müßten, daß es so ist. Denn sie sind es, die das herrschende Verhältnis
herstellen und die herrschenden geistig moralischen Werte geprägt haben und
prägen. Sie beherrschen die Bühne. Aber sie wollen keine Verantwortung tragen.
Sie haben sich gut eingerichtet. Und sie leben damit gut. Zu gut.
Sie machen uns mit vereinten Kräften glauben: „Der Causa
Guttenberg liegt kein Fehler im universitären System zugrunde“ oder: "Wir
sind einem Betrüger aufgesessen. Niemand hätte sich vorstellen können, mit
welcher Dreistigkeit hier ein Plagiat eingereicht wird. Es ist ein Ausmaß an
Dreistigkeit, das wir bisher nicht gesehen haben. (…) Er hat planmäßig
plagiiert, er hat eine Collage von Plagiaten angefertigt, über Hunderte von
Seiten, und er glaubt, er hat es nicht getan, er stellt eine Dissonanz fest
zwischen dem, was er objektiv getan hat, und dem, was er subjektiv getan haben
will. Das ist absurd."
Und nun kommt Silvana Koch-Mehrin ins Visier. Ich wünsche
mir, das von der Universität Bayreuth ausgehende „Plagiat“-Fieber zur Epidemie
entwickelt, wie bei Doping und Dopingjägern. Die Zeichen sind noch nicht so
eindeutig. Aber Professoren sind aufgescheucht. Die professorale Gemeinde ist schlau
und weitsichtig. Sie ahnen, daß es nicht bei Silvana Koch-Mehrin bleiben wird. Das
„Plagiat“-Fieber wird auch die Professoren Peter Häberle, Rudolf Streinz,
Oliver Lepsius, Diethelm Klippel, usw. befallen und ihre Schriften ebenfalls
auf den Prüfstand stellen. Und dann? Dann wird die Welle weiter gehen.
Also zünden die Professoren nicht nur Nebelkerzen und spielen
„Spin doctors“. Sie errichten Dämme gegen die mögliche Forderung der
Plagiatjäger, zunächst alle Dissertation der Universität Bayreuth auf den
Prüfstand zu stellen. Dann auch Dissertationen und Habilitationen der ehrenwerten
Professoren. Die Demarkationslinie zwischen Plagiat und gängiger Abschreibepraxis
aus veröffentlichten Druckerzeugnissen existiert nicht, ist keine. Warum soll die Kunst des
Abschreibens ohne Angaben von Quellen verwerflicher sein als die Kunst des
Abschreibens mit Angaben von Quellen? Und was hat das Abschreiben ohne Bonitätsprüfung
der abgeschriebenen Stellen mit der Vermehrung des Wissens in der Gesellschaft
zu tun? Soll die Kunst des Abschreibens Wissenschaft heißen?
*****
Der Begriff Plagiat ist einer fremden Sprache entnommen. Ist
der vermeintliche Vorgang zufällig in ein Fremdwort eingewickelt worden? Ist er
eine Mogelpackung? Dieser Begriff Plagiat soll den Tatbestand „geistiger
Diebstahl“ beschreiben. „Geistiger Diebstahl“ ist doch vermittelt genug! Warum
dann die Schöpfung des Begriffs „Plagiat“ überhaupt? Sollte etwa vermieden
werden, daß andauernd vom „geistigen Diebstahl“ die Rede ist? Droht dann etwa
die Gefahr, daß wir beginnen könnten, darüber nachzudenken, was wohl „geistiger
Diebstahl“ überhaupt sein kann?
Je häufiger vom Plagiat die Rede ist, umso seltener wird
„geistiger Diebstahl“ ausgesprochen. Je seltener „geistiger Diebstahl“
ausgesprochen wird, umso wahrscheinlicher wird der Sinngehalt vom „geistigen
Diebstahl“ nicht hinterfragt. Der Begriff Plagiat, wie die meisten in eine
Fremdsprache gehüllte Begriffe, ist eigentlich ein Machwerk der „spin doctors“,
jenen hoch bezahlten „Ablenkern“ vom Wesentlichen in irrige Richtungen.
Was ist eigentlich ein „geistiger Diebstahl“? Was kann er
sein? Es ist hut und lohnend, sich nicht mit schnellen Antworten oder Erklärungen abspeisen
zu lassen. Beispielsweise wie: durch:
„der Causa Guttenberg liegt kein Fehler im
universitären System zugrunde“.
Ich hatte und habe vielfältige handfeste Gründe mich mit dem
„geistiger Diebstahl“ und mit „geistigen Raub“ zu befassen. Mein Gedächtnis ist
länger als nicht nur jene der gelben Presse. Vielleicht hatte ich keine
Gelegenheiten zu verdrängen oder zu vergessen. Dazu später mehr.
Ich will mich an dieser Stelle nicht mit dem „Diebstahl“
aufhalten. Aber doch so viel. Kommt einer ohne Diebstahl zu Reichtum? Ohne
Raub? Ist Raub nicht rabiater, gewalttätiger rücksichtloser umfassender Diebstahl? Nur die sogenannten
Rechtswissenschaftler haben es in allen Zeiten fertiggebracht, die kleinen
Diebe ins Visier zu nehmen und sich dabei von Räubern aushalten zu lassen. Ja, die
„Rechtswissenschaftler“. Man muß sich auf der Zunge zergehen lassen. „Rechtswissenschaftler“.
Hat nicht diese Zunft schon immer gegen Entgelt kunstvolle Rechtfertigungen für
Besitz und Reichtum der Herrschenden geliefert? Und durchsetzbare Regeln erfunden,
die Gesetze heißen? Damit der jeweilige „Istzustand“, also die Verteilung von Besitz
und Reichtum erhalten bleibt? In allen Zeiten?
Was soll in dieser
sich veräußernden Tätigkeit „das wissenschaftliche“ gewesen sein? Was wurde
entdeckt? Wurde das Wissen in der Gesellschaft vermehrt? Welches? Daß das
unrechte Verhältnis und die ungleiche Verteilung von allem Verteilbaren in der
Gesellschaft mal als „Gotteswille“, oder mal als „Gang der Natur“ oder mal als „Gang
der Geschichte“, oder mal als „Führerwille“ oder mal als „mehrheitliche
Entscheidung“ verpackt wurden? Oder liegt die große „wissenschaftliche“ Leistung
darin, daß es ihnen gelungen ist, uns ihre Rechtfertigungen vom profanen und rabiaten
Diebstahl als das „geltende Recht“ einzuprägen? Wissenschaft? Oder Macht,
Medien, Manipulation ohne Moral?
Die Begriffe „Gesetze“ und „Recht“ werden je nach
Opportunität für den gleichen Tatbestand verwendet. Als ob diese Synonyme
wären. Ihnen ist es gelungen, daß die Frage, wie ein Reicher reich geworden
ist, total ausgeblendet wird. Schon seit den biblischen Zeiten. Im Buch der Bücher
findet keine Erörterungen darüber statt, warum der Reiche reich und der Arme arm ist.
Schon damals gab es die Maunzs, Herzogs, Häberles, Strenzs Lepsiuss und
Klippels. Und Reichlich.
In der herrschenden „Halsabschneide-Kultur“ kann ich den materiellen Diebstahl noch nachvollziehen.
Aber geistiger Diebstahl? Im wissenschaftlichen Bereich? Wie soll das gehen? Wissenschaft
ist keine Wissenschaft, wenn sie nicht öffentlich ist. Und wenn sie öffentlich
ist, gehört sie uns allen. Wie kommt man zu dem aberwitzigen Anspruch, daß
einer als Urheber für das letzte Stück des veröffentlichten Wissens
hervorgehoben werden muß? Woher hat er das letzte Stück des Wissens? Worauf
fußt sein letztes Stück Wissen? Hat die Gesellschaft ihn für seine Arbeit nicht
bereits entlohnt? Die Perfidie ist nicht zu überbieten, wenn für
wissenschaftliche Arbeit ein Urheberrecht verlangt wird. Das Urheberrecht für Wissenschafter?
Seit wann gibt es diese Unsitte?
Die Geschichte der „modernen“ Wissenschaft ist kurz.
Diese Wissenschaft ist in Europa entstanden. Sie gründet ganz und gar auf
„Plagiete“. Denn, fast alles Wissenswertes haben die sogenannten
Wissenschaftler aus Europa von den Mauren abgeschrieben. Allesamt Entdeckungen
anderer. Nur, die Mauren haben kein Urheberrecht für sich reklamiert. Aber die
Abschreiber in Europa! Wissen die sogenannten Wissenschaftler in Europa überhaupt,
daß vieles was die Mauren nach Europa brachten, eigentlich östlich von dem Land
der Helenen entdeckt wurde? Was haben die sogenannten Wissenschaftler in Europa
wirklich entdeckt?
Haben sie sich nicht vielmehr auf Anwendung und auf Verwertung
konzentriert? Auf dem festen Boden fremder Entdeckungen stützend? Vor allem auf
Verwertung? So ist es nicht weiter verwunderlich, daß die Nachfahren dieser
Abschreibe-Künstler “Urheberrechte“ für Wissenschaftler erfinden. Ihnen ist
auch gründlich gelungen, den Unterschied zwischen Entdeckung und Erfindung
zu verwischen. Soll diese Kunst des Verwischens als wissenschaftliche Leistung
gelten? Gibt es irgendwo eine Kultur, in der „Patent“, Produktschutz und
Urhebergesetz erfunden worden sind? Selbst für Lebensmittel, die seit
Jahrtausenden anderswo produziert werden? Dank der gut bezahlten Rechfertigern.
Ja, die „Rechtswissenschafter“! Und die Rechtswissenschaften!
*****
Aber zurück zur Gegenwart. Zurück zur Universität
Bayreuth. Zurück zu Guttenberg. Zurück zu Koch−Mehrin. Zurück zu Plagiat-Jägern.
Wird all dies zu
jener längst fälligen gründlichen Diskussion über den Sinn, bzw. über den
Unsinn vom Ritual des Zitierens in sogenannten wissenschaftlichen Arbeiten
führen? Jenseits von Zitierkartellen, Zitierindexen, und lizenzierten Raub−
und Abschreibkünste?
Wird all dies zu
jener längst fälligen gründlichen Diskussion über Wissensvermehrung, über
Wissensverdoppelungen und über Wissenschaftsschrott führen? Über den Wissenschaftsschrott,
der die angeblichen wissenschaftlichen Bibliotheken reichlich füllt und schmückt?
Wird all dies zu
jener längst fälligen gründlichen Diskussion über die Inflation von
angeblich wissenschaftlichen Büchern, Wissenschaftsdisziplinen und
wissenschaftlichen Fächern führen?
Wird all dies zu
jener längst fälligen gründlichen Diskussion über eine flächendeckende wissenschaftliche
Erforschung dessen führen, was innerhalb der Mauern der Universitäten und
Wissenschaftsbetrieben tatsächlich stattfindet?
Hätte die Dissertation von Guttenberg inhaltlich eine
andere wissenschaftliche Qualität, wenn er alles ritualgerecht beschwerdefrei und einwandfrei gestaltet
hätte? Wäre seine Dissertation dann weniger abgeschrieben gewesen? Was wäre anders, wenn er jene längere fast
wörtlich abgeschrieben Stellen gründlich gelesen, intellektuell verarbeitet, in
eigener Diktion wiedergeben und die Autoren pauschal in einer „Anmerkung“
erwähnt hätte? Wäre die Dissertation dann weniger abgeschrieben gewesen? Ist
das sogenannte Plagiat mehr als einfache handwerkliche Fehler? Wohl nicht.
Guttenberg würde damit lediglich Oliver Lepsius und
Diethelm Klippel den Boden entzogen haben, auf seine Kosten öffentlich zu
profilieren. Profilierende seichte Sprüche wie die folgende hätten dann keinen
Plattform:
„Der Causa Guttenberg liegt
kein Fehler im universitären System zugrunde“ oder:
"Wir sind einem
Betrüger aufgesessen. Niemand hätte sich vorstellen können, mit welcher
Dreistigkeit hier ein Plagiat eingereicht wird. Es ist ein Ausmaß an
Dreistigkeit, das wir bisher nicht gesehen haben. (…) Er hat planmäßig
plagiiert, er hat eine Collage von Plagiaten angefertigt, über Hunderte von
Seiten, und er glaubt, er hat es nicht getan, er stellt eine Dissonanz fest
zwischen dem, was er objektiv getan hat, und dem, was er subjektiv getan haben
will. Das ist absurd".
Nicht nur diese Sprüche wären uns erspart geblieben. Auch
die professoralen Ängste von Dammbrüchen vor den Mauern von Hochschulen und
Wissenschaftsbetrieben. Wissenschaftlich wäre die Arbeit nie geworden. Diese Art
von Günstlings−Wissenschaft hat mit der Wissenschaft nichts zu tun. Die
Inflation von Dissertationen oder Habilitationen haben mit der Günstlingswirtschaft zu tun. Wissenschaft hat
leider Deflation. Seit Jahrzehnen oder
gar seit Jahrhunderten? Seit dem Beginn des Kolonialismus? Seit der Offenbarung
des auserwählten Moses?
Selbst wenn wir einmal den absoluten Schwachsinn vom
„geistigen Eigentum“ annehmen wollten, müssen wir nicht wissen wollen, wo und wie
der betreffende im Besitz des „geistigen Eigentums“ gekommen ist? Wessen „geistiges
Eigentum“ hat er zu seinem Eigenen gemacht? Müssen wir nicht den Autor eines
Druckerzeugnisses schlicht fragen, woher er denn wisse, daß was er geschrieben
überliefert, auch wirklich ist? Müssen wir nicht all dies Fragen, bevor aus dem
„geistigen Eigentum“ anderer ritualgerecht zitiert werden kann?
Ich habe noch kein „wissenschaftliches Werk“ in den
Händen halten dürfen, in dem man neben absoluter Einhaltung des Rituals vom
Zitieren und Anmerken auch nur die Andeutung einer Quellenkritik feststellen
konnte. Den Verfasser dieser Art wissenschaftlicher Werke ist die folgende
einfache Frage absolut fremd:
Wie weiß der Verfasser eines
Druckerzeugnisses, wenn er angibt, etwas zu wissen, daß seine Behauptung etwas
zu wissen, auch der Wirklichkeit entspricht?
Ich wäre jedem Gelehrten
dankbar, mir zu helfen, ein solches Buch in einer wissenschaftlichen Bibliothek
zu identifizieren.
Ich habe noch kein solches
Buch gefunden. Es werden mit aller Regel der Kunst des Zitierens Stellen aus
früheren Druckerzeugnissen abgeschrieben. Häufig genug fehlerhaft
abgeschrieben. Nicht selten auch fälschend. Es wird nicht geprüft, ob der
abgeschriebene Teil nicht ebenfalls von anderen „plagiiert“ worden ist. Von der
notwendigen Prüfung des Wirklichkeitsgehalt ganz zu schweigen. Die Folge dieser
Art wissenschaftlicher Arbeit ist, Verbreitung von krankhaften Phantasien,
Vorurteilen, falschen und gefälschten Tatsachenbehauptungen. Ich behaupte dies
nicht auf der Grundlage logischer Schlussfolgerungen, was auch möglich wäre.
Das nachstehend aufgeführte Buch belegt diese Behauptung.
LÜGEN MIT LANGEN BEINEN. Gelehrte, Wissenschaft, Aufklärung, Dokumentarische
Erzählung, 440 S., ISBN 3-935418-02-7, im Acharyya Verlag für kritische
Wissenschaft, Oldenburg und in der englischen Version
LIES WITH LONG LEGS. Discoveries, Scholars, Science, Enlightment.
Documentary Narration, 404 pages,Hardcover, ISBN 81-87374-32-2,in
SAMSKRITI, New Delhi
Was ist verwerflicher? Handwerkliche leicht korrigierbare
Fehler und „Plagieren“ oder die gängige Zitierpraxis des blinden Abschreibens
aus schon aus den auf dem Markt vorhandenen „wissenschaftlichen Werken“ in
Dissertationen, Habilitationsschriften und anderen wissenschaftlichen Werken
der sogenannten Gelehrten? Ja, was ist verwerflicher?
Noch einmal zurück zum „geistigen Eigentum“. Jeder weiß,
daß Reden von Wirtschafts− und Verbandsbossen und von Politikern von ihren
„wissenschaftlichen Angestellten“ geschrieben werden. Ihre veröffentlichten
Bücher auch. Jeder weiß, daß alle, die es sich leisten können, Berater für teures Geld anheuern. Nicht so flächendeckend bekannt ist, daß immer mehr die sogenannte
„Think Tanks“ in Erscheinung treten. Nährstoffreiche Teiche sollen sie sein.
Teiche, in denen vermarktbare Gedanken wachsen. Allerdings auch vermarktbare
Ablenkungsmanöver. Womit hängt es zusammen, daß in diesem Zusammenhang nicht von
„geistigen Eigentum“ gesprochen wird. Wieso nicht? Ist es keine Klau von
Gedanken und Wissen, wenn Kaufkraft dahinter steht?
Wie ist es in den Instituten der Universität und in
Wissenschaftsbetrieben bestellt? Welche Funktion haben die wissenschaftlichen
Mitarbeiter und die wissenschaftlichen Assistenten? Wem arbeiten sie zu? Müssen wir
in diesem Zusammenhang nicht wissen, wie das Wissen in wissenschaftlichen
Büchern der Gelehrten unserer Tage erarbeitet und entdeckt wird? Hier Beispiele
aus meinem eigenen „wissenschaftlichen Erleben“:
Meine erste Stelle
als wissenschaftlicher Mitarbeiter bekomme ich in einem der Institute von
Gerhard Weisser. Er lehrt Sozialpolitik an der Universität Köln. Im Juli 1959
trete ich die Stelle an. Meine ausschließliche Aufgabe sollte sein, englischsprachige
sozialpolitische Literatur zu „Entwicklungsländern“ zu sichten, zu
bibliographieren, zu lesen und darüber ausführliche Zusammenfassungen
anzufertigen. Auf Deutsch, versteht sich. Ich beginne also auch noch
Sozioökonomie auf Englisch zu lesen und fertige fleißig deutsche Zusammenfassungen
an.
Meine Frau meint, daß
es mit den Zusammenfassungen nicht getan wäre. Ich müßte eigentlich
Aufsatzentwürfe vorlegen und sie nach der Besprechung mit Gerhard Weisser dann
auch ins Englische übersetzen, wenn ich die Stelle behalten wollte. Jeder
deutsche Mitarbeiter würde das wissen. Sie hat in Köln promoviert. Danach hat
sie sich in der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Deutschenn Bank angeheuert.
Schreibt Reden für die Vorstandsmitglieder. Sie weiß, wie mit dem „Raub von
geistigen Eigentum“ läuft. Als promovierte Volkswirtin. Ich bin zum „ghost
writing“ nicht bereit.
Gerhard Weisser lädt
regelmäßig seine Mitarbeiter zum „Jour fixe“ ein. Die Ehefrauen der Mitarbeiter
auch. Es ist eine nette und nützliche Einrichtung. Nach einem solchen Treffen
fragt mich meine Frau auf dem Nachhauseweg, was denn zwischen Weisser und mir
vorgefallen sei, daß Weisser sich veranlaßt gesehen hat, ihr zu sagen, daß ich
ein wildes Fohlen sei, er aber mich schon noch zähmen würde.
Ich nenne Gerhard
Weisser mit Namen, weil er so viel Anstand und Skrupel hatte, daß er zu keinem
Zeitpunkt ausgesprochen oder nicht ausgesprochen von mir verlangte, für ihn in
englischer Sprache Aufsätze zu schreiben. Im „dreckigen Sumpf“ der Kölner
Universität war Gerhard Weisser ein weißer Ritter. Ich habe auch keine Aufsätze
für ihn geschrieben. Nach acht Monaten habe ich die Stelle verloren, weil dafür
kein Geld mehr vorhanden war. Ein Schelm ist, der Schlechtes denkt.
Weiter. Als Gast
Professor sollte ich 1966 in Jaipur für den „Head ot the Sociological
Department“ schreiben. Ich weigere mich. Ohne Angabe von Gründen werde ich entlassen,
obwohl ich ein Vertrag für ein Jahr habe. Durch zwei schnelle Gerichtsinstanzen
erkämpfe ich die Wiedereinstellung. Zwischenzeitlich bin ich auch von der
Universität Köln entlassen. Ich hätte die Zusammenarbeit der beiden beteiligten
Universitäten beeinträchtigt. Das Bundesverwaltungsgericht der BRD hat der Universität Köln
recht gegeben. Der „Geistige Raub“ sei gestattet. Es waren dramatischen
Vorgänge. Sie sind dokumentiert in allen Zusammenhängen in dem Buch „Preis des
aufrechten Gangs“. Der Sumpf ist nicht nur in den Universitäten ist dreckig.
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Die Universität definiert sich als Stätte für
Ausbildung und Forschung. Die dort Auszubildenden bringen die Reife für das
Erlernen des wissenschaftlichen Handwerks. Am Ende ihrer Ausbildung stehen Prüfungen und eine Abschlussarbeit. Eine betreute wissenschaftliche Arbeit. Zum Abschluß wird ein Zeugnis ausgehändigt. Aber wer erntet die wissenschaftlichen
Früchte der Seminare und von Abschlußarbeiten? Wie werden die Themen der
Abschlussarbeiten vergeben? Und die Themen für die Promotion? Fallen sie vom
Himmel?
Wie definiert sich die Bedeutung eines
Lehrstuhls an den Universitäten? Durch die Qualität oder durch die Quantität?
Durch wissenschaftliche Entdeckungen oder durch Nachfragen verwertbarer
Produkte für Wirtschaftsunternehmen? Je höher die Zahl der Studierenden, umso
mehr Zulieferung von dienstbaren Geistern und von „Mittel für Forschung“. So viel
Drittmittel wie möglich. Die Drittmittel Geber sind Liebhaber der Wissenschaft.
Nicht wahr? Sie haben „kein Eigeninteresse“.
Dieser Bedeutungsgewinn ist eine Spirale der
Entwicklung nach oben. Bis zu „Leuchttürmen“. Je mehr dienstbereite Geister, umso
höher ist die Zahl der Promotionskandidaten. Und dann noch jene Wohlhabenderen, die es sich
leisten können, einem Doktortitel nachzujagen. Selbst ohne eine bezahlte
„Stelle“ am Lehrstuhl bzw. im Institut. Stiftungen leisten ebenfalls Beihilfe.
Anträge müssen natürlich von Professoren befürwortet werden. Dann die sogenannten
„Externer“, die einen akademischen Schmuck brauchen.
Die Tücke dieses Wachtums ist, die Lehrenden haben für die
Lehre immer weniger Zeit. Wie soll der Lernerfolg von ihren Schutzbefohlenen,
von Studierenden und Doktoranden beurteilt werden? Der Überblick geht verloren.
Also Klausuren und Hausarbeiten müssen als Ersatzmittel für virtuelle
individuelle Beurteilung des Lernerfolgs erfunden werden. Repertorien folgen,
weil die Lehre versagt. Der Druck der Drittmittel und die eigene
Profilierungssucht lassen den Professoren keine Zeit Klausuren selbst zu
prüfen. Wenn die Drittmittel die Professoren nicht total verblendet haben, und
sie noch sehen und hören können, wissen sie von einem Markt für Klausuren sowie
Abschlussarbeiten, auch innerhalb der Universität. Bevor Internet auf die Bühne
getreten ist.
Wenn überhaupt Zeit bleibt, „inne zu halten“ zwischen
Drittmitteljagd, Pflichtlehrveranstaltung, Forschungsorganisation, Gremien,
Beobachtung von Stellenmarkt für Professoren, usw., müßten die Professoren
wissen:
Soviel Wissenschaft kann es gar
nicht geben wie die vergebenen akademischen Titeln. Was tun? Beten und hoffen.
Lieber ein geräuschloser Ablauf, selbst wenn nur wissenschaftlicher Schrott auf
die Regale der Bibliothek lagert?
Wenn die Professoren von heute ihr eigener studentischer
Lebenslauf aus ihrer Festplatte im Kopf nicht total gelöscht haben, wissen Sie wie
viel „Ghost−Writing“ sie selbst haben machen müssen und wie oft sie den
gebückten Gang geübt haben. Das Warten auf Begutachtung ihrer Dissertation und Vorveröffentlichungen aus
ihrer Dissertation durch den gutachtenden Professor hinterlaßt Wunden, an die
sie sich verständlicher Weise ungern erinnern. Sie wollen doch nicht
Nestbeschmutzer sein?
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Noch einmal zurück zur Gegenwart. Zurück zur Universität
Bayreuth. Zurück zu Guttenberg. Zurück zu Koch−Mehrin. Zurück zu Plagiat-Jägern.
Wird all dies zu
jener längst fälligen gründlichen Diskussion über den Sinn, bzw. über den
Unsinn vom Ritual des Zitierens in sogenannten wissenschaftlichen Arbeiten
führen? Jenseits von Zitierkartellen, Zitierindexen und zugelassenen
Raub− und Abschreibkünste?
Wird all dies zu
jener längst fälligen gründlichen Diskussion über Wissensvermehrung, über
Wissensverdoppelungen und über Wissenschaftsschrott führen? Über den Wissenschaftsschrott,
der die angeblichen wissenschaftlichen Bibliotheken reichlich füllt und
schmückt?
Wird all dies zu
jener längst fälligen gründlichen Diskussion über die Inflation von
angeblich wissenschaftlichen Büchern, Wissenschaftsdisziplinen und
wissenschaftlichen Fächern führen?
Wird all dies zu
jener längst fälligen gründlichen Diskussion über eine flächendeckende wissenschaftliche
Erforschung dessen, was innerhalb der Mauern der Universitäten und
Wissenschaftsbetrieben tatsächlich stattfindet?
Eigentlich müßte jeder skeptisch sein, ob diese Funken
zum Flächenbrand führen werden. Ich weiß aber auch, daß ohne Funken gar nichts brennt.
Und ich weiß auch, daß keiner voraussagen kann, welcher Funke zum Flächenbrand
verursacht. Die Universität ist noch eine unerforschte Festung. Ich habe
versucht, ein klein bißchen Licht im Dunkel zu bringen. Die dokumentarische
Erzählung „Preis des aufrechten Gangs.“
Ich habe dafür zwar einen hohen Preis bezahlt. Aber mein wissenschaftliches
Leben ist auch ein Beispiel dafür, das es geht.
Es scheint
unwahrscheinlich zu sein, daß etablierte Professoren das Zünden von Funken üben
werden. Aber das Leben ist voller Überraschungen. Aber die Jagd nach Plagiaten
allein scheint mir eine Sackgasse zu sein. Nicht nur, weil in den meisten Fällen die
Verjährung droht. Auch die Doping−Jagd ist eine Sackgasse für Aufklärung
geworden.
Aber wie ist es mit einer Jagd nach der Wissenschaftlichkeit
in den wissenschaftlichen Büchern der etablierten Professoren? Ob und wie diese
Gelehrten jene von ihnen benutzten Quellen auf ihre Echtheit und Relevanz überprüft haben? Oder
zunächst eine einfache Sortierung der „wissenschaftlichen Bücher“ in einem Fach
nach vorhandener und nicht vorhandener Quellenkritik? Oder zunächst eine Sortierung
der wissenschaftlichen Bücher, die nur auf Sekundärliteratur gestützt sind und
der anderen? Oder ein Portal für Erfahrungsberichte aus dem Dunkel der
Wissenschaftsbetriebe? Ich bin Hoffnungsvoll, daß vielen vieles einfallen wird,
wenn andauern Funken gezündet werden. Wie wäre es, wenn keiner mehr von „Plagiat“
spricht, sondern nur vom untauglichen Versuch „geistiges Eigentum“ schützen zu
wollen?
Vom Kindergarten an wird kompromisslos dressiert. Wie
soll einer irgendwann sagen können, welche geistige Leistung er mehr angenommen hat als
andere? Das Urheberrechtsschutzgesetz taugt ja auch nicht. Es verjährt
alles schnell. Warum soll er nicht fallen?
Ich schließe diesen Blog mit einem Antizitat, das ich
1977 im Vorwort des Buches „Wie demokratisch ist Kommunalpolitik“ (Das
Buch wurde mit 25.000 Exemplaren in rororo aktuell aufgelegt)
geschrieben habe.
Wir
haben wissenschaftlich gearbeitet. Wir veröffentlichen aber keine
wissenschaftliche Arbeit. Wir veröffentlichen Ergebnisse wissenschaftlicher
Arbeit. Deshalb verzichten wir auf die übliche Zitierweise. Auch auf die
fachliche Geheimsprache. Nicht nur weil wir die Ergebnisse unserer Arbeit der
benachteiligten Mehrheit zugänglich machen wollen. Wir verzichten aus Überzeugung.
Wir halten es für überholt, durch Zitate den Nachweis erbringen zu müssen, daß
wir wissenschaftlich arbeiten können. Wichtig ist nicht der Nachweis eigener
Belesenheit, sondern die Folgerichtigkeit der Ergebnisse.
Wir halten es ebenfalls für überflüßig, in
einer Veröffentlichung ständig das Wissen in zwei Teile teilen zu wollen. In das
verarbeitete Wissen und in das aus anderen Publikationen übernommene. Das, was
wir heute wissen, setzt sich zusammen aus dem gesellschaftlich angesammelten
Wissen und aus den wirklich abgelaufenen Vorgängen in der Gesellschaft. Das Vorgelegte
ist der Stand unseres gegenwärtigen Bewußtseins. Mit dieser allgemeinen
Anerkennung der Literaturquellen glauben wir mehr als das eigentlich Notwendige
getan zu haben. Das selbstverständliche muß nicht immer neu als
selbstverständlich dargestellt werden.