Universität Bayreuth, ihre Professoren, deren Moral

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Gedanken Zu. Macht, Medien, Manipulation, Moral

 

Den deutschen Hochschulen sind Betrug und Plagiat nicht fremd. Nicht nur den deutschen Hochschulen. Heute, wie in der Geschichte. Die Prüfungsordnungen auf allen Ebenen treffen entsprechende Vorkehrungen. Das übrige besorgt das Strafrecht. So ähnlich wie bei der Dopingkontrolle. Immer Vorkehrungen treffen. Nie über die Ursachen Nachdenken.

Es ist peinlich und folgenschwer für den, der sich erwischen läßt. Über die Dunkelziffer ist nichts Genaues bekannt. Außergewöhnlich ist, daß ein Plagiatsfall eine ganze Hochschule ins Gerede bringt.  Die Universität Bayreuth ist im Februar 2011ins Gerede gekommen. Professoren dieser Hochschule sind in Erklärungsnot. Nicht nur jene ihrer Vorzeigefakultät. Eine höchst benotete Dissertation hat sich als flächendeckendes Plagiat erwiesen. Aufgedeckt wird das Plagiat fünf Jahre nach dem Abschluß eines ordentlich abgelaufenen Promotionsverfahrens.

Hier sind die Fakten. Ein nicht mehr immatrikulierter Absolvent der Universität Bayreuth vereinbart mit einem angeblich international bekannten Professor der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ein Promotionsthema und stellt 1999 einen Antrag auf eine Sonderzulassung zur Promotion. Die Promotionskommission der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät stimmt dem Antrag zu.

 Ja, die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät! In Deutschland gibt es eine Inflation von „Wissenschaften“. Ich habe nie begriffen, aus Gesetzeskunde zu „Rechtswissenschaft“ mutiert. Auch nicht aus „Märkten und Handeln“ Wirtschaftswissenschaft. Aber ich muß das ja auch nicht begreifen. Auf Englisch würde es schlicht „Faculty of Law and Economics“ heißen. Das kann ich nachvollziehen. Aber zurück zu den Fakten, welche die Professoren der Universität Bayreuth in Erklärungsnot gebracht haben.

 Die Dissertation wird 2006 eingereicht. Die Fakultät bestimmt zwei Gutachter. Beide Gutachter bewerten die Dissertation mit der Höchstnote. Vor der mündlichen Prüfung liegen die Dissertation und die beiden Gutachten in der Fakultät öffentlich aus. Nach einer ordentlichen Bekanntmachung, versteht sich. Im Rigorosum (mündliche Abschlussprüfung) wird die Höchstnote bestätigt. Die Promotion kommt nach sieben Jahren ordnungsgemäß zum Abschluß. Ohne besondere Vorkommnisse. Ein typischer Ablauf. Eine Bilderbuch Promotion. Der Frischpromovierte darf mit Sondergenehmigung den Titel Dr. jur. schon führen, bevor die Pflichtexemplare der Dissertation abgeliefert sind. Der neue Dr. jur. ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Sein Name: Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg.

 Die Promotionsschrift, die nach der Promotionsordnung zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen geführt haben müßte, kommt 2009 in einem renommierten Wissenschaftsverlag als Buch heraus. Der Autor hat zwischenzeitlich politische Karriere gemacht. Er ist der beliebteste Politiker Deutschlands. Dann kommt der Februar 2011. Die Süddeutsche Zeitung will berichten, daß ein Rezensent dieses Buches, ein Professor an der Universität Bremen, behauptet, daß die Promotionsschrift Guttenbergs ein übles Plagiat sei.

Vorab informiert die Süddeutsche Zeitung Guttenberg und die Universität Bayreuth. Am 16. Februar 2011 macht die Süddeutsche Zeitung die Bezichtigung des Bremer Professors öffentlich. Unverzüglich qualifiziert Guttenberg die Unterstellung des Bremer Professors Andreas Fischer-Lescanos als „abstrus“. Sein Doktorvater Professor Peter Häberle kommentiert unmittelbar danach: „Der Vorwurf ist absurd, die Arbeit ist kein Plagiat“. Und „Sie wurde von mir in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrolliert.“

Bis hier hin, konnte die wissenschaftliche Welt in Bayreuth in Ordnung gewesen sein, was die Unterstellung des Plagiats angeht. Wer ist dieser Bremer Professor? Universität Bremen? War diese Universität nicht in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts berüchtigt als eine „linke Kaderschmiede“?

Wie auch immer. Die Gemeinde der Wissenschaftler in Deutschland hätte die erste Stellungnahme von Peter Häberle nachdenklich stimmen müssen. „Der Vorwurf ist absurd, die Arbeit ist kein Plagiat“ und „Sie wurde von mir in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrolliert.“ In zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrolliert? Wenn dies so gewesen ist, steht dies nicht im Widerspruch zu den Promotionsordnungen deutscher Universitäten?

Auch in der Promotionsordnung der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät  an der Universität Bayreuth lesen wir: “Die Dissertation muss eine selbständige wissenschaftliche Leistung darstellen und zur Lösung wissenschaftlicher Fragen beitragen. Sie soll zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen führen.“ Und: „Durch die Promotion wird eine besondere wissenschaftliche Qualifikation nachgewiesen.“       

 Wieso hat Peter Häberle dem Doktoranden Guttenberg keine Möglichkeit gelassen, den Nachweis zu erbringen, daß dieser zu einer selbstständigen wissenschaftlicher Leistung fähig ist? Und sollte Peter Häberle tatsächlich auch seinen Doktoranden Guttenberg in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrolliert haben, wer trägt dann die Hauptverantwortung für das nun allseitig feststehende Plagiat, der Lehrling oder der Meister? Die Moral der Wissenschaftler verlangt eine eindeutige Stellungnahme zu der Frage nach der Verantwortung von Peter Häberle.

Der in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrollierte Doktorand Guttenberg reicht der Fakultät mindestens zwei Exemplare der fertigen Dissertation ein. Der Doktorvater Peter Häberle und sein Kollege Rudolf Streinz sollen jeweils eine Kopie der Arbeit zur Begutachtung bekommen haben. Beide angeblich international renommierten Professoren begutachten die vorliegende Dissertation mit der Höchstnote. Beiden renommierten Wissenschaftler fällt nicht auf, daß die Dissertation weitest gehend auf Plagiaten beruht.

Haben sich  etwa diese renommierten Wissenschaftler in der einschlägigen Literatur zum Thema nicht ausgekannt? Und sind sie der deutschen Sprache nicht mächtig genug, um nicht über jene Stilbrüche im Text zu stolpern, die Guttenberg möglicherweise im Eifer des Abschreibens übersehen hatte? Oder haben sie etwa die Dissertation ungelesen benotet? Gefälligkeitsgutachten etwa? Eigentlich müßte auch die Ludwig-Maximilian-Universität München Rudolf Streinz zur Rechenschaft ziehen, wie er die Dissertation Guttenbergs mit summa cum laude benoten konnte. Seit einigen Jahren beehrt Rudolf Streinz diese Universität in München. Die Ludwig-Maximilian-Universität München hat Rudolf Streinz zur Rechenschaft gezogen. Wie sollen wir alle diese Ungereimtheiten bewerten?

Die Dissertation und die beiden Gutachten liegen in der Fakultät öffentlich aus. Nach der gebotenen Ankündigung versteht sich. Zur Kenntnisnahme und zu eventueller Kritik. Eigentlich hätte die ganze Fakultät aufhorchen müssen, weil ja die Höchstnote für eine Dissertation nicht alltäglich ist. Wir wissen nicht, wie viele Fakultätsmitglieder die Dissertation noch vor der mündlichen Prüfung gesichtet haben. Über kritische Einwände ist nichts bekannt geworden. 2006 wird das Promotionsverfahren abgeschlossen. Die beiden Meister und ihr Lehrling wähnen sich in Sicherheit. Wie weltfremd ist das Trio gewesen, als es die Dissertation als Buch für die Veröffentlichung im renommierten Verlag Duncker & Humblot freigab. Auch renommierte Verlage wollen Geld machen. Kasse machen können sie nur, wenn die Arbeit flächendeckend rezensiert wird. Nicht alle Rezensenten sind von der Zunft abhängig und haben Angst als Nestbeschmutzer am Pranger zu stehen.  Also, 2011 fliegt das Plagiat auf.

Es wäre zu keinem Tsunami der Empörung gekommen, wenn „der Lehrling und die Meister“ die Eselsbrücke der Süddeutschen Zeitung benutzt hätten. Gut, es ist gewiß nicht sauber, daß die Zeitung vor ihrer Veröffentlichung die Entdeckung von  Andreas Fischer-Lescanos „dem Lehrling“, den“ Meistern“ und der Universität Bayreuth zur Kenntnis gegeben hat. Als Rückversicherung etwa?

Hätten „der Lehrling und der Bayreuther Meister“ nicht so arrogant, so dumm-dreist, so ignorant machtbewußt reagiert, hätten sie für die Prüfung der Bezichtigung viel Zeit kaufen können. Daß sie es nicht getan haben, scheint ein Hinweis dafür zu sein, daß „der Lehrling und der Bayreuther Meister“ nicht gewußt haben, was ein Plagiat in Wirklichkeit ist.

Wie sonst ist zu erklären, daß unmittelbar nach der Veröffentlichung des Verdachts des Plagiats Guttenberg die Vorwürfe als „abstrus“ bezeichnete und sein Doktorvater Peter Häberle so kommentierte: „Der Vorwurf ist absurd, die Arbeit ist kein Plagiat“. Und „Sie wurde von mir in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrolliert.“ Danach geht Peter Häberle auf Tauchstation.

Wenn Peter Häberle tatsächlich seinen Doktoranden Guttenberg in zahlreichen Beratungsgesprächen eingehend kontrolliert hat, schuldet seine Fakultät im besonderen und die Universität Bayreuth im allgemeinen eine nachvollziehbare schlüssige Erklärung darüber, in welcher Phase und auf welche Weise der Doktorand Guttenberg den Nachweis seiner wissenschaftlichen Qualifikation hätte bringen können. Gleich werden wir wissen, daß zahlreiche Beratungsgespräche und eingehende Kontrolle an der Universität Bayreuth die gängige Praxis sind. Wird etwa die Arbeit der Doktoranden als Zulieferdienst für die Doktorväter mißbraucht?

*****

Bekanntlich ist das Abitur die Zulassungskarte für die Hochschule. Das wissenschaftliche Handwerk wird im Betrieb erlernt, wie bei anderen Lehrlingen auch. Lernen, die Bibliothek und andere Einrichtungen der Hochschule zu nutzen, die wissenschaftliche Literatur vernünftig zu lesen und Notizen darüber zu machen, unterschiedliche Zitierweisen zu kennen, zu Bibliographieren, sich Kenntnisse über die Studien− und Prüfungsordnung anzueignen. Schon im ersten Semester. In derPropädeutik, im Proseminar.

In den Seminaren wird die thematisch eingegrenzte wissenschaftliche Zusammenfassung der Fachliteratur geübt. Die Diplomarbeit ist die erste betreute wissenschaftliche Bearbeitung eines Themas. Die Guten, die als wissenschaftlicher Nachwuchs in Frage kommen, besprechen und verabreden mit einem Hochschullehrer (Doktorvater) ein klar beschriebenes wissenschaftliches Erkenntnisziel und stellen einen Antrag auf Zulassung zur Promotion. Die Promotion ist die erste eigenständige wissenschaftliche Arbeit. Wie eine Gesellenarbeit. Ohne Beihilfen vom Meister.

Aber in der Universität Bayreuth laufen die Uhren anders. Statt nach dem Tsunami der Empörung über wissenschaftliche Versäumnisse der eigenen Universität öffentlich nachzudenken, entscheiden sich die Professoren für eine breite Verteidigungslinie, die ebenso dumm und brüchig ist wie jene von Guttenberg. Am 27.02.2011 haut Oliver Lepsius auf den Esel Guttenberg und meint durchaus nicht den Treiber des Esels: "Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Niemand hätte sich vorstellen können, mit welcher Dreistigkeit hier ein Plagiat eingereicht wird. Es ist ein Ausmaß an Dreistigkeit, das wir bisher nicht gesehen haben. (…) Er hat planmäßig plagiiert, er hat eine Collage von Plagiaten angefertigt, über Hunderte von Seiten, und er glaubt, er hat es nicht getan, er stellt eine Dissonanz fest zwischen dem, was er objektiv getan hat, und dem, was er subjektiv getan haben will. Das ist absurd."

Die Medien spielen das Spiel mit. Sie stellen keine unangenehme Fragen.Wo war dieser Oliver Lepsius 2006, als seine Fakultät an der Universität Bayreuth die Dissertation und die mündliche Prüfung von Guttenberg mit summa cum laude bewertete? War er etwa auf einer Dienstreise? Nun, seit 2002 ist Oliver Lepsius als Nachfolger von Peter Häberle Inhaber des Lehrstuhls an der Universität Bayreuth. Für die Tirade der Empörung auf Kosten von Guttenberg bekommt er gute Publizität. Auch Lob von den Kollegen Professoren für das Ablenkungsmanöver?

Am 01.03.2011 taucht Peter Häberle aus seiner Tauchstation auf und erklärt: "Die in der Promotionsschrift von Herrn zu Guttenberg entdeckten, mir unvorstellbaren Mängel sind schwerwiegend und nicht akzeptabel. Sie widersprechen dem, was ich als gute wissenschaftliche Praxis seit Jahrzehnten vorzuleben und auch gegenüber meinen Doktoranden zu vermitteln bemüht war." Er gibt keine Erklärung darüber, warum er das Gleiche nicht in seinem Gutachten niedergeschrieben hatte. Keiner fragt ihn danach.

Spiegel online hat auch den Zweitprüfer Rudolf Streinz gestellt. Am 02.03.2011 sagt der in einem Interview:Im Nachhinein ist man schlauer: Ich habe zu sehr darauf vertraut, dass Arbeiten korrekt angefertigt werden. Nun weiß ich, dass man sich darauf offenbar nicht verlassen kann. Herr zu Guttenberg, 2006 ‚einfacher‘ Bundestagsabgeordneter, wurde von mir als Seminarteilnehmer und Doktorand von Herrn Kollegen Häberle wie jeder andere Doktorand behandelt. Prominent war er damals noch nicht, für einen Prominentenmalus sah ich damals keinen Anlass.“ Prominentenmalus? Malus? Eine freudsche Fehlleistung?  

Am gleichen Tag, am 02.03.2011, teilen die beiden Gutachter, Peter Häberle und Rudolf Streinz, der Presse Einiges, leider nicht Überprüfbares und den strengen Normen der Wissenschaft Fremdes mit. Noch hat keine Publikation versucht, die Presseerklärung zu analysieren. Sie ist erbärmlich. Die „Botschaften“ sind:

1.    Zwischen dem „Doktorvater“ und dem „Doktoranden“ würde im Verlauf „ein intensives Vertrauensverhältnis“ entstanden,

2.    deshalb würde der „Zweitgutachter“ dem „Doktorvater“ folgen,

3.    dies in diesem Fall umso mehr, weil „Herr zu Guttenberg …im Vorfeld des Promotionsverfahrens bei Prof. Häberle ein Seminar zum Thema besucht hatte“ und „die Fortschritte der Arbeit regelmäßig und intensiv mit seinem Doktorvater diskutierte“,

4.    die Arbeit „zeichnete sich“ aus „durch einen hohen Grad der Durchdringung“,

5.    der Doktorand konnte sich „auf intensive Fragen“ in der mündlichen Prüfung einstellen,

6.    „die Erkennung von Plagiaten 2006 mit den seinerzeit vorhandenen technischen Mitteln kaum möglich“ gewesen sei und

7.    dem „Zweitgutachter“ lag das „Erstgutachten des Doktorvaters“ vor. Er begutachtete „die Arbeit im Ganzen“ „dem Profil eines Zweitgutachters entsprechend“.

Die Pressemitteilung ist am Ende dieses Blogs als ein Dokument angehängt. Eine bemerkenswerte Lektüre. Anzumerken ist noch, daß ich den Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Universität Bayreuth am 24.02.2011 gebeten hatte, mir folgende Dokumente in Kopie zu dem Promotionsverfahren von Guttenberg zur Verfügung zu stellen.

 1.    Der Antrag für die Durchführung des Promotionsverfahrens;

2.    die Entscheidung der Promotionskommission über den Antrag;

3.    die Mitteilung der Fakultät an den Promotionskandidaten über die Zulassung;

4.    das Begleitschreiben bei der Einreichung der Dissertation;

5.    die beiden Gutachten;

6.    die Bekanntgabe des  Beginns der Auslegungsfrist der Dissertation und der Gutachten in der Fakultät und

7.    die Niederschrift über den Gang des Kolloquiums.

 Nach einem Erinnerungsschreiben habe ich folgende Mitteilung erhalten:
„Ihre Schreiben haben wir erhalten. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass ich Ihnen die erbetene Einsicht in die nichtöffentlichen Promotionsakten - auch nach Rücksprache mit dem Datenschutzbeauftragten - nicht gewähren darf. Bitte informieren Sie sich auf den Internetseiten der Universität Bayreuth auf denen auch Auskunft über wesentliche Daten des Promotionsverfahren zu Guttenberg gegeben wird. Mit freundlichen Grüßen, Prof. Dr. Markus Möstl,Dekan“.

 Ich möchte hoffen, daß der Dekan mich nicht als Ausnahme behandelt hat und aus dem genannten Gründen keinem die Einsicht in die nichtöffentlichen Promotionsakten gewährt. Nur, die Internetseiten  der Universität Bayreuth geben mir nicht die erbetene Information.

 Noch am 02.03.2011 bläst ein weiterer Professor der Universität Bayreuth in das gleiche Horn wie seine Professoren Kollegen. Die Süddeutsche Zeitung überträgt den Tenor auf der ersten Feuilleton Seite. Die Überschrift:

 

 Wissenschaftliche Erkenntnis basiert auf Vertrauen.

Der Causa Guttenberg liegt kein Fehler im universitären System zugrunde − besorgniserregend sind viel mehr die Reaktionen der politischen Öffentlichkeit / von Diethelm Klippel

 

Eben. Kein Fehler im universitären System. An der Universität Bayreuth laufen die Uhren wirklich anders. Dort basiert wissenschaftliche Erkenntnis auf Vertrauen. Wo war dieser Diethelm Klippel im Jahre 2006? Auch in Bayreuth? Auch auf dem Rigorosum (mündliche Prüfung) von Guttenberg zugegen? Seit wann hat er Kenntnis von dieser Dissertation? Seit wann hat er Kenntnis von der Benotung? Gibt es eine Inflation von summa cum  laude in Bayreuth? Wie auch immer.

Ich habe zur Kenntnis genommen, daß er schon lange den Ombudsmann für Selbstkontrolle in der Wissenschaft an der Universität Bayreuth abgibt und Sprecher des Graduiertenkollegs „Geistiges Eigentum Gemeinfreiheit“ der Universität Bayreuth ist. Wie verträgt sich die „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ mit der Ansage „wissenschaftliche Erkenntnis basiert auf Vertrauen“? Sind Kontrolle und Vertrauen Synonyme?

Ich habe die umständliche Pressemitteilung/Stellungnahme von Peter Häberle und von Rodolf Streinz widerwillig mehrmals lesen müssen. Ist es möglich, daß den beiden „Meistern“ bei der Begutachtung der Dissertation von Guttenberg deshalb keine Anomalien aufgefallen sind, weil darin nichts Abweichendes zur Lehrmeinung  dieser beiden Meister steht? Noch eingeengter gefragt: ist es möglich, daß Guttenberg für seine „wissenschaftliche Erkenntnis“ ausschließlich auf das Seminar von Peter Häberle vertraut hat und seine Dissertation eine ausschließliche Wiedergabe des Seminarinhaltes ist? Diethelm Klippel sollte diesen beiden Fragen nachgehen. Dies hätte er tun sollen, bevor er den Artikel in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht hat. Die ersten beiden Sätze von diesem Artikel sind:

Ein Doktorand namens Karl-Theodor von und zu Guttenberg hat gravierend gegen die Regeln korrekten wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen. Die Universität Bayreuth hat ihm daher nachträglich den Doktorgrad aberkannt.

Perfider geht es wohl kaum. Warum haben die beiden angeblich wissenschaftlich herausragenden Gutachter die Annahme der Arbeit nicht verweigert? Ist dem Diethelm Klippel das Wissen fremd, daß beim vollzogenen Plagiat im wissenschaftlichen Bereich stets zumindest zu gleichen Teilen der Prüfer die Schuld trägt? Die Prüfer sitzen am längeren Hebel. Aber sie haben sich wohl in der Regel mit ihren eigenen Steckpferden beschäftigt. Sie haben keine Zeit für genaue Prüfungen einer Dissertation, bevor sie ein Gutachten schreiben. Sollte was schief gelaufen sein, verlassen sie sich wohl auf die Ausrede, wie das von Diethelm Klippel besungene Lied: „Wissenschaftliche Erkenntnis basiert auf Vertrauen“.

Auch bei Diethelm Klippel ist offensichtlich was schief gelaufen. Er entpuppt sich als ein Fälscher im zweiten Satz seines Artikels in der Süddeutschen Zeitung. Er verbreitet öffentlich: „Die Universität Bayreuth hat ihm (also Guttenberg) daher nachträglich den Doktorgrad aberkannt.“ Fakt ist, daß die Universität Bayreuth sich gedrückt hat, Guttenberg seinen Doktortitel abzuerkennen. Ich zitiere den Text im Wortlaut. Die Bayreuther Professoren kennen den Text, oder sollten ihn schon kennen. Die Hervorhebungen sind von mir.

Die Promotionskommission der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth hat gestern und heute getagt und beschlossen, den an Herrn Freiherr zu Guttenberg verliehenen Doktorgrad zurückzunehmen. In der Promotionsordnung der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät heißt es

ausdrücklich: ‚Die benutzte Literatur und sonstige Hilfsquellen sind vollständig anzugeben; wörtlich oder nahezu wörtlich dem Schrifttum entnommene Stellen sind kenntlich zu machen‘. Die Kommission, darauf weisen die Mitglieder einstimmig hin, hat sich davon überzeugt, dass Herr (sic!) Freiherr zu Guttenberg gegen diese wissenschaftlichen Pflichten in erheblichem Umfang verstoßen hat. Dies hat er auch selbst eingeräumt.

 Die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textstellen ohne hinreichende Kennzeichnung verstößt nach der Rechtsprechung gegen die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens und schließt die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall aus. Stellen sich solche Mängel, wie im vorliegenden Fall, erst nachträglich heraus, kann der Doktorgrad auf der Grundlage des Artikels 48 Verwaltungsverfahrensgesetz zurückgenommen werden.

 Die Frage eines möglichen Täuschungsvorsatzes konnte die Kommission letztlich dahinstehen lassen. Für die Kommission war entscheidend, dass unabdingbare wissenschaftliche Standards objektiv nicht eingehalten worden sind. Im Fall ihrer Verletzung ermächtigt Artikel 48 Verwaltungsverfahrensgesetz zur Rücknahme des Doktorgrades, ohne dass ein Täuschungsvorsatz nachgewiesen werden muss.

 Dieser Text, die „Medienmitteilung, Nr. 037 / 2011 // 23. Februar 2011“ wird mit einer verfälschenden Überschrift veröffentlicht. Die Bayreuther Universitätsoberen waren noch am 23.02.2011 schlicht zu feige und zu opportunistisch den Doktorgrad eines Sprosses des fränkischen Hochadels abzuerkennen. Statt streng nach der hochschuleigenen  Promotionsordnung zu entscheiden, haben sie das Verwaltungsverfahrensgesetz des Freistaates Bayern bemüht, um den Doktorgrad zurückzunehmen. 

Eine Rücknahme ist keine Aberkennung. Aber die Jura Professoren der Universität  Bayreuth scheinen den Unterschied nicht  zu kennen. Sind diese Professoren auch Wissenschaftler? Was macht ihre Wissenschaft aus? Machen sie einen Unterschied zwischen Gesetz und Recht? Ist ihre Lehre für die angehenden Juristen genau so effizient, daß diese ohne Repetitorium außerhalb des Lehrbetriebs juristische Prüfungen nicht bestehen können?  Wenn es so ist, inwiefern ist ein Jurastudium überhaupt ein wissenschaftliches Studium? Gibt es unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen darüber, ob Jura überhaupt eine wissenschaftliche Disziplin sein kann? Nach welchen Kriterien?  Gelten diese Fragen auch für einige andere universitäre Fächer?

Was wissen wir darüber, wie ein Professor in Bayreuth Professor wird? Welchen Einfluß nehmen die CSU und die Hans−Seidel−Stiftung auf Berufungen? Welche andere Seilschaft gibt es dort? Werden die Akten von Berufungsverfahren archiviert? Wie ist das Verhältnis der Professoren zu ihren „wissenschaftlichen Mitarbeitern“? Wie ist die Arbeitsteilung zwischen ihnen in der Lehre und in der Forschung?  Tatsächliche Arbeitsteilung. Und nicht das, was in den Statuten niedergeschrieben steht, wie sie sein soll.

 Auch die Universität Bayreuth ist ein Dienstleistungsbetrieb für die Produktion von leitendem Kader für die Gesellschaft. Was produziert Sie? Wie wird die Qualität der Lehre geprüft? Auch nur Vertrauenssache? Wie kommen Studierende zu Themen  ihrer Diplom−  und Staatsexamenarbeit?  Werden sie von den Professoren vergeben? Oder finden sie ihre Themen selbst? Wie? Abgeleitet von Steckenpferden der Professoren?  Als Zulieferdienst etwa? Und die Promotionsthemen?

 

Wie ist die Qualität der fertig Studierten? Wie wird die Qualität geprüft? Wie ist das Produktionsverhältnis? Gibt es systematische Untersuchungen darüber, was tatsächlich innerhalb der Mauern dieser Universität alles geschieht? Ohne die Klärung dieser und ähnlichen Fragen ist die Behauptung von Diethelm Klippel: „Der Causa Guttenberg liegt kein Fehler im universitären Systen“ eine plumpe Irreführung der Öffentlichkeit.

 Gibt es überhaupt systematische Untersuchungen über Vorgänge innerhalb der Mauern von Universitäten, bzw. von „Wissenschaftsbetrieben“? In Deutschland? Anderswo? Wer soll solche Untersuchungen durchführen? Wer soll sie finanzieren? Und was ist der Preis dafür? Gilt auch anderswo das Motto: Wissenschaftliche Erkenntnis basiert auf Vertrauen?  Müssen wir lernen, den Professoren zu glauben? Es scheint, Wissen, Wissenschaft steht nicht auf der Tagesordnung. Mir ist nur eine einzige Untersuchung über die Universität bekannt. Weltweit.

 PREIS DES AUFRECHTEN GANGS. Eine dokumentarische Erzählung, 667 S., ISBN 3-935418-01-9. In Acharyya Verlag für kritische Wissenschaft in Oldenburg in Oldenburg.

Achten Sie bitte auf „Home“ der Internetseiten des Verlages:

www.acharyya.de.

 Was der Preis für diese Untersuchung gewesen ist? Sehr hoch. Der Preis, wie auch der Preis.

Hier folgt der Text der Presseerklärung. Ich frage mich natürlich, wieviele „Guttenbergs“ es an der Universität Bayreuth schon gegeben hat und ob es unter den Professoren es auch „Guttenbergs“ gibt.

 

Pressemitteilung/Stellungnahme

Zum Promotionsverfahren von Herrn Karl-Theodor zu Guttenberg

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Häberle

Prof. Dr. Rudolf Streinz

 

Bei allen über einen langen Zeitraum sich erstreckenden Promotionsverfahren entwickelt

sich beidseitig aufgrund des damit einhergehenden Diskurses zwischen Doktorvater und Doktoranden ein intensives Vertrauensverhältnis. Daher gehen der Doktorvater (hier: Prof. Häberle) und andere an dem Promotionsverfahren Beteiligte, wie insbesondere der Zweitgutachter (hier: Prof. Streinz), von der Beachtung der Regeln wissenschaftlichen Arbeitens durch den für seine Arbeit insoweit allein verantwortlichen Doktoranden aus. Dies galt auch und insbesondere im Fall der hier betroffenen Arbeit über „Verfassung und Verfassungsvertrag - Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“, da Herr zu Guttenberg nicht nur bereits im Vorfeld des Promotionsverfahren bei Prof. Häberle ein Seminar besuchte hatte, sondern – wie es üblich ist – die Fortschritte der Arbeit regelmäßig und intensiv mit seinem Doktorvater diskutierte und diskutieren konnte. Ohne Kenntnis der vorgeworfenen Plagiate zeichnete sich die Arbeit aus durch einen hohen Grad der Durchdringung des Themas in allen seinen Facetten, nicht nur rein rechtlich, sondern wie oft in von Prof. Häberle betreuten Arbeiten durch die Einbeziehung kultureller Hintergründe der rechtlichen Entwicklungen Das Kapitel über den Gottesbezug etwa griff eine damals aktuelle Diskussion des Verfassungsvertrags der EU auf. Anzumerken ist hierbei, dass der Doktorand auch in der mündlichen Prüfung (Rigorosum) auf intensive Fragen zu Methodik und Inhalt der Arbeit souverän antwortete und sich jeglicher Diskussion stellen konnte.

In der Diskussion über die Arbeit sollte man sich stets vor Augen halten, dass die Überprüfung von Dissertationen mit technischen Mitteln 2006 nicht üblich war und bis heute verbreitet (noch) nicht üblich ist. Zudem war die Erkennung von Plagiaten 2006 mit den seinerzeit vorhandenen technischen Mitteln kaum möglich. Plagiatsoftware sowie auch andere Methoden waren damals keineswegs so weit entwickelt wie heute. Selbst Google wies noch nicht die fein justierte Suchmethode wie heute auf. Speziell juristische Arbeiten einbeziehende Programme bedürfen noch heute der Weiterentwicklung. Im Interesse aller Beteiligten dürften künftig entsprechende technische Vorprüfungen auch bei Dissertationen vorzuschalten sein.

Zur Aufgabe des Zweitgutachters ist anzumerken, dass er - ohne Diskurs mit dem Doktoranden - die bereits fertig erstellte Arbeit zu prüfen hat. Das hierzu ebenso vorliegende Erstgutachten des Doktorvaters (Prof. Häberle) zeigt dabei auf, was vom Doktoranden erwartet wurde und inwieweit er diese speziellen Erwartungen erfüllte. Vorliegend würdigte Prof. Streinz dem Profil eines Zweitgutachters entsprechend die Arbeit im Ganzen und befasste sich insbesondere mit den spezifisch europarechtlichen Aspekten der Arbeit. Dies vorangestellt ging die Bewertung der Dissertation mit summa cum laude seinerzeit von einer Leistung aus, bei der die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens beachtet sind. Verstöße dagegen führen – wie erfolgt – hier zur „Disqualifikation“ mit der Folge, dass der Doktortitel entzogen werden musste.

 

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